Die WHO, Bill Gates und die Refeudalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse

Interview von: Velten Schäfer
Die Existenz von Mythen belegt nicht, dass es kein Problem gibt: Bill-Gates-Graffito von Eme Freethinker, Berlin im April 2020
Die Existenz von Mythen belegt nicht, dass es kein Problem gibt: Bill-Gates-Graffito von Eme Freethinker, Berlin im April 2020

Anfang der Woche hat die EU-Kommission eine »Geberkonferenz« initiiert. Ziel seien »Milliarden für einen Impfstoff« gegen das Coronavirus, man wolle »Kräfte bündeln« und »gemeinsam Geschichte schreiben«. Klingt das gut in Ihren Ohren?

In der aktuellen Situation alle Kräfte zu bündeln, um rasch einen Impfstoff und Medikamente zu entwickeln, ist ganz richtig. Problematisch hingegen fand ich, wer sich da zusammenfand. Das Treffen stand nicht unter der Leitung der hier zuständigen internationalen Instanz, also der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sondern unter Ägide eines Clubs mächtiger Akteure: der EU, der Weltbank, des Weltwirtschaftsforums sowie der Privatstiftungen Wellcome-Trust und Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung. Vertreter aus den Ländern des Südens, deren Bevölkerungen durch Corona dramatische soziale Folgen erleiden, saßen nicht am Tisch.

Also doch: Bill Gates setzt mittels Corona eine geheime Weltregierung durch!

Es geht natürlich nicht um eine geheime Weltregierung. Das Ganze findet ja vor aller Augen statt. Das Problem der WHO liegt in einer seit Langem zu beobachtenden Aushöhlung multilateraler Institutionen, in denen alle Länder eine Stimme haben. Das ist im sogenannten Multistakeholder-Ansatz, der mehr und mehr an die Stelle jenes Multilateralismus tritt, nicht mehr der Fall. Darin spielen Geschäftsmodelle, aber nicht die Interessen und Lebenswelten der Marginalisierten eine Rolle. Sollen überlebenswichtige Medikamente wirklich für alle zugänglich sein, dürfen sie nicht länger patentgeschützt sein. Diese Vergesellschaftung pharmakologischen Wissens aber wollen die Industrieländer nicht zulassen. Das ist keine heimtückische Verschwörung, sondern das kapitalistische Grundkalkül.

Die Existenz von Mythen besagt ja nicht, dass es kein Problem gibt. Noch jüngst erschienen Schlagzeilen wie »Der heimliche WHO-Chef heißt Bill Gates« oder »Was gesund ist, bestimmt Bill Gates« in großen Zeitungen und im öffentlichen Rundfunk.

Die WHO befindet sich seit Längerem in einer gravierenden Krise. Um wirksam für die Verwirklichung des Rechts auf Gesundheit eintreten zu können, müsste sie unabhängig sein. Genau das verweigern ihr die Mitgliedsländer, indem sie schon vor Jahren ihre Pflichtbeiträge eingefroren haben. Diese machen heute nur noch 20 Prozent des Etats aus. Die restlichen 80 Prozent sind freiwillige, aber zweckgebundene Zuwendungen, mit denen die Geber auf die Arbeit der WHO direkt Einfluss nehmen. Allen voran der bislang größte Geldgeber USA, gefolgt von der Gates-Stiftung. Wenn die USA nun wie angekündigt aus der Finanzierung aussteigen, wird die weitere Existenz der WHO vom Geldfluss eines einzelnen privaten Mäzens abhängen. Das ist der eigentliche, zu wenig wahrgenommene Skandal: eine Refeudalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse.

Für die WHO gilt also der Klassiker: »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing«?

So simpel ist es nicht. Die Zwecke, für die die Gates-Stiftung Zuwendungen vergibt, sind ja zunächst durchaus honorig. Die Entwicklung von Impfstoffen, das Bemühen um die Ausrottung von Polio, das ist ja nicht falsch. Das Problem ist die Herangehensweise von Bill Gates, nämlich die Vorstellung, man könne die Gesundheit der Menschen mit Programmen fördern, die von oben übergestülpt werden. Mit der gleichen unternehmerischen Herangehensweise, wie er sein Vermögen zusammengetragen hat, will er nun das Leben von Millionen retten.

Wieso ist das ein Problem?

Gesundheit ist keine Ware, die sich wie Computerprogramme vermarkten ließe. Sie lebt von der demokratischen Partizipation derjenigen, um deren Gesundheit es geht. Und da spielen soziale Faktoren eine ungleich größere Rolle als kurativ-medizinische Angebote. Letztere, das hat zuletzt sogar die Unternehmensberatung McKinsey einräumen müssen, bestimmen nur zu 15 Prozent das Wohlbefinden der Menschen. Viel wichtiger sind gute und ausreichende Ernährung, Bildung, hygienische Wohnverhältnisse, würdige Arbeit, Einkommen und Ähnliches. Diese sozialen Determinanten der Gesundheit, für die sich die WHO lange starkgemacht hat, spielen heute immer weniger eine Rolle. Und das auch aufgrund der Einflussnahme durch Geldgeber wie Bill Gates.

Ganz so, wie wir es derzeit erleben. In der Pandemie scheint die Devise ja zu sein: »Lockdown« bis zum Impfstoff.

Auch in der Coronakrise nehmen wir die sozialen Folgen der Pandemie kaum wahr. Und die werden gerade im Globalen Süden verheerend sein. Es steht zu fürchten, dass sich die ohnehin schon prekäre soziale Ungleichheit, die in der Welt herrscht, verschärfen wird. Wie sollen Menschen, die in Slums zu leben gezwungen sind oder als Tagelöhner ihre Existenz fristen müssen, den Abstands- und Hygieneempfehlungen folgen? Die von Kurzarbeitergeld und halbwegs funktionierender Daseinsvorsorge nur träumen können? Sie zu schützen, würde soziale Transferleistungen erfordern, am besten im Kontext eines universellen Grundeinkommens oder solidarisch finanzierter Gesundheitssysteme, deren Verwirklichung mehr denn je auf der Tagesordnung stehen sollte.

Nun grassiert die Pandemie aber auch in den wohlhabenden Ländern.

Auch im Norden zeigt sich ein ganz ähnliches Bild. Auch in Europa sind die Schrecken dort am größten, wo Gesundheitssysteme durch Austeritätspolitik geschwächt und mehr und mehr privatisiert wurden. Hinzugekommen sind dramatische Fehlentscheidungen, wie die von Donald Trump oder von Boris Johnson, die beide die Gefahr zu lange kleingeredet haben. Politikern im Norden galten Pandemien vielleicht als Probleme Afrikas oder Asiens, aber nicht Europas. Die Folgen solcher Überheblichkeit haben heute die einfachen Leute zu tragen. Und Trump meint, die Schuld der WHO in die Schuhe schieben zu können.

Diese Mythen um die WHO und Bill Gates wurzeln auch in der 2009 ausgerufenen Pandemie der »Schweinegrippe«. Es wurden weltweit Zigmilliarden für einen Impfstoff ausgegeben, den niemand brauchte.

Vor gut zehn Jahren hat die WHO eine eher harmlose Erkrankung in die höchste Gefahrenstufe eingruppiert. Beraten wurde sie dabei auch von Wissenschaftlern, die auf der Gehaltsliste von jenen Pharmakonzernen standen, die dann am Verkauf des Grippemedikaments Tamiflu kräftig verdienten. Als der Skandal bekannt wurde, geriet die WHO zu Recht in die Kritik. Seitdem hat sie einiges unternommen, um solche Interessenskonflikte zu kontrollieren. Aber wie soll das gehen, wenn man auf die Zuwendungen von privaten Gebern angewiesen ist und sich beispielsweise mit den Interessen von Bill Gates arrangieren muss? Auch der erwirtschaftet die Mittel, die er der WHO zur Verfügung stellen kann, durch Anlagen unter anderem in pharmazeutischen Unternehmen.

Was ist aus Ihrer Sicht das Worst-Case-Szenario »nach Corona«?

Das Negative wäre, dass die Einschränkungen der Grundrechte, die wir gerade erleben und die von der Öffentlichkeit bisher breit mitgetragen werden, auf die eine oder andere Weise politische Sedimente hinterlassen. Ich glaube zwar nicht, dass es in Deutschland zu autoritären Schüben wie in Ungarn oder Polen kommen wird. Eher könnte der öffentliche Druck, nun rasch wieder zur Normalität zurückzukehren, dazu führen, dass sich die gerade entstandene Kritik an der imperialen Lebensweise, die wir hierzulande auf Kosten anderer und der Umwelt führen, wieder abschwächt. Schon jetzt sind Stimmen laut geworden, die fordern, man dürfe die Wirtschaft bei der Bewältigung der Krise nicht noch stärker durch Klimaschutzauflagen und die Einhaltung der Menschenrechte etwa im Kontext der globalen Lieferketten belasten.

Und das optimistische Szenario?

Das könnte darin bestehen, dass Gesundheit wieder mehr als öffentliches Gut betrachtet und die unselige Privatisierung von Daseinsvorsorge rückgängig gemacht wird. Die Aufkündigung des Patentschutzes für essenzielle Arzneimittel ist längst überfällig; mit Blick auf die Coronakrise könnte dies heute gelingen.

Welchen Ausgang der Krise halten Sie für wahrscheinlicher?

Auf jeden Fall wird darum gerungen werden müssen, was dann die Folgen dieser Krise sind. Von allein ändert sich wenig, zumindest nicht zum Guten.

 

Thomas Gebauer ist Sprecher der stiftung medico. Von 1996 bis 2018 war er Geschäftsführer von medico international.

 

Vergleich von SARS und COVID-19

Die Erstsymptome von SARS waren Fieber (100%), Husten (61,8%), Muskelschmerzen (48,7%), Atemnot (40,8%) und Durchfall (31,6%).

Bei im Krankenhaus betreuten Fällen trat in 90,8% der Fälle Atemnot auf.

Die Atemnot trat im Durchschnitt 9,8 (±3,0) Tage nach den ersten Krankheitssymptomen auf.

Während des Krankheitsverlaufes entwickelten einige Patienten Leukopenie, Lymphopenie und Thrombopenie.

Die Inkubationszeit (Zeitdauer von der Infektion bis zum Krankheitsausbruch mit ersten Symptomen) von COVID-19 ist mit 3-7 Tagen (max. 14 Tage) etwas länger als die von SARS mit 1-4 Tagen (selten über 10 Tage).

Bei COVID-19 sind die wichtigsten Manifestationen Fieber, Ermüdung und trockener Husten, während verstopfte oder laufende Nasen und andere Symptome der oberen Atemwege seltener sind.

Der typische Krankheitsverlauf ist eine progressive Verschlechterung, wobei

  • milde Fälle (keine Atembeschwerden),
  • normale Fälle (Fieber, Atembeschwerden),
  • schwere Fälle (Atemnot, Atemfrequenz ≥ 30/min, partielle arterielle Sauerstoffsättigung ≤ 300mmHg) und
  • kritische Fälle (Lungenversagen, Schock, damit verbundenes Versagen anderer Organe, die eine Intensivbetreuung notwendig machen)

unterschieden werden.

Auffallend ist, dass viele Patienten sich subjektiv noch relativ fit fühlen, während sie schon bedenklich niedrige Blutsauerstoffwerte und hohe Atemfrequenzen zeigen und der Intensivbehandlung bedürfen.

Dies scheint eine Folge der ungewöhnlichen Ausprägung der Symptomatik in der Lunge zu sein, bei der nur Teile des Gewebes Wasser einlagern und dadurch verhärten (und weniger Sauerstoff aufnehmen können), während andere Teile zwar schlecht durchblutet werden, aber elastisch bleiben – dadurch entsteht erst spät das subjektive Gefühl der Atemnot.

80% der Fälle verlaufen leicht (mild bis normal), 16% schwer und etwa 6% kritisch – allerdings schwanken die Zahlen je nach betrachteter Population.

In einem untersuchten Fall einer abgeschlossenen Population (auf einem Kriegsschiff) blieben zwei Drittel der Infizierten ohne Symptome.

Offenbar verbleiben die Viren bei einem großen Teil der Infizierten im Mund-Rachen-Raum und rufen dort (wenn überhaupt) nur geringe Symptome wie Halskratzen hervor.

Wenn die Viren jedoch die Lunge befallen, folgt fast immer schwerer Krankheitsverlauf, der auch junge und anderweitig gesunde Patienten stark belastet und eventuell auch (zumindest mittelfristige) Folgeschäden wie Lungenschmerzen bei sportlicher Belastung nach sich ziehen kann.

Die Sterberate ist derzeit nur sehr schwer einzuschätzen, da die realen Infektionszahlen mangels flächendeckender Tests nicht einmal annähernd bekannt sind.

Die aktuelle (18. April 2020) Sterberate als Verhältnis von gemeldeten Fällen (positiv getesteten Infizierten, diese fast immer mit Symptomen) und Verstorbenen liegt zwischen 2,2% in Südkorea und 13,4% in Großbritannien.

Weltweit sind es – nach den Zahlen der Johns-Hopkins-Universität – 6,9%; Deutschland 3,1%, USA 5,2% (New York City 5,6%), China 5,5%, Brasilien 6,3%, Spanien 10,5%, Niederlande 11,4%, Frankreich 12,5%, Italien13,2%.

Allerdings gehen Schätzungen von einer starken Untererfassung der Infizierten aus.

Die Zahlen schwanken dabei zwischen 5% und knapp 10% der Erfassung, d.h. die Zahlen der tatsächlich Infizierten (und auch der nach überstandener Infektion Immunisierten) könnten um den Faktor 10 bis 20 höher als die offiziellen Angaben sein sowie die Letalität entsprechend niedriger.

Die Heinsberg-Studie ermittelte einen Letalitätswert von 0,37% – dies läge in der Größenordnung der Wintergrippe 2017 mit einer Letalität von knapp 0,3% (bei geschätzten 9 Millionen Infizierten und 25.100 Toten).

Die Mehrzahl der Erkrankungen (also Infektion mit Krankheitssymptomen) betrifft ältere Patienten, unter 20-Jährige sind kaum betroffen, jedoch sind schwere Fälle bei jungen Patienten dokumentiert, die bestimmte Vorerkrankungen haben, besonders chronische Krankheiten wie Diabetes und Hepatitis B.

Ebenfalls gefährdet sind Personen unter Langzeitbehandlungen von Hormonen oder Immunsuppressiva mit verringerter Immunabwehr.

Die sogenannte Risikogruppe wird von multimorbiden Patienten mit Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Raucherlunge, Krebs, Adipositas etc. gebildet, wobei das Alter den signifikanten Faktor für die Sterbewahrscheinlichkeit bildet.

Derzeit wird über die Risiken einer (vorschnellen) Beatmung durch Intubation bei Vollnarkose diskutiert, da bis zu 80% der so behandelten Intensivpatienten versterben.

Unabhängig von diesen Behandlungsrisiken wird empfohlen, bei älteren multimorbiden Patienten mit diesen oder ihren Angehörigen über Alternativen zu sprechen (sowie Patientenverfügungen zu beachten) und eine Palliativbehandlung zumindest in Erwägung zu ziehen.

Die letztendliche Todesursache lässt sich bei Verstorbenen mit einer SARS-CoV-2-Infektion nur durch eine Obduktion feststellen, die zurzeit nur in wenigen Fällen durchgeführt wird, daher sind auch die Angaben zur absoluten Anzahl von COVID-19-Todesfällen fraglich.

Herkunft des Virus

Es ist bekannt, dass Fledermäuse als Wirte von mehr als 30 Coronaviren auftreten.

2010 konnte in der Chinesischen Hufeisennase ein Virus nachgewiesen werden, dessen Genom eine große Ähnlichkeit mit SARS-CoV[-1] aufweist, als Zwischenwirt zum Menschen traten vermutlich Schleichkatzen auf, die in unmittelbarer Nähe von Menschen gehalten wurden.

Das neuaufgetretene SARS-CoV-2 teilt mit SARS-CoV[-1] über 80% des Genoms; aus der Java-Hufeisennase wurde ein Coronavirus mit 96,2%-iger Genomähnlichkeit isoliert und diese damit als Quelle des neuen Virus wahrscheinlich gemacht.

Die Übertragung des neuen Virus fand wahrscheinlich durch Schuppentiere – in Asien als Pangolin bezeichnet – statt, deren Fleisch als Delikatesse gilt und deren (Keratin-)Schuppen in der traditionellen Medizin Verwendung finden.

Studien zeigten, dass etwa 70% aller Pangoline Coronaviren in sich tragen.

Ein kürzlich isoliertes Virus zeigt eine hohe Übereinstimmung der RNA-Sequenz mit SARS-CoV-2, so dass Schuppentiere zumindest als einer der Überträger sehr wahrscheinlich sind.

Um neuerliche Erstübertragungen von Wildtieren zu verhindern, sind in den Herkunftsgebieten die Jagd, der Handel und der Verzehr von Wildtieren zu unterlassen.

Dazu muss jedoch hinzugefügt werden, dass die meisten Zooanthroponosen (vom Tier auf den Menschen übertragene Krankheiten) nicht von exotischen Tieren, sondern von Nutztieren in Massenhaltung, ganz besonders dem Schwein, herrühren.

Das humane SARS-CoV-2 kann offenbar auch wieder vom Menschen auf Tiere übertragen werden: bei einigen Zootieren wurde eine Infektion mit entsprechender Symptomatik festgestellt und auch Haustiere, wie Hunde und besonders Katzen, können sich infizieren, aber wohl nicht als Überträger fungieren.

Prävention, Diagnose, Behandlung

Prävention

Da die Übertragung durch Tröpfchen und direkten Kontakt erfolgt, ist allgemeine Kontakteinschränkung, frühzeitige Erkennung und Isolierung von Infizierten sowie Überwachung stark frequentierter Plätze und Räume notwendig.

Bei direktem Kontakt zu Infizierten, z.B. durch Pflegepersonal, sollte mindestens eine persönliche Schutzausrüstung (PSA) der niedrigsten Sicherheitsstufe (international: Level D) getragen werden.

Im gesamten öffentlichen Raum und im Arbeitsumfeld (d.h. außerhalb der privaten Wohnräume) ist als effektivste und einzig sichere Prävention auf einen Abstand zu anderen Personen von mindestens eineinhalb Metern zu achten.

Zusätzlich sollte man sich bei heftigem Ausstoß von Atemluft, z.B. Husten, Niesen, schwerem Atmen (beim Joggen, Radfahren etc.), aber auch lautem Singen, welches größere Aerosolwolken erzeugt, von anderen Personen abwenden.

Die »Einfallstore« für das Virus in den menschlichen Organismus sind die Gesichtsschleimhäute, d. h. die Schleimhäute von Nase, Mund und auch der Augen(!) – es ist also wichtig, mit den Händen nicht in die Nähe des Gesichts zu kommen.

Das Tragen von einfachem Mund-Nase-Schutz (MNS, »Alltagsmaske« inkl. einfacher Mund-Nase-Bedeckung, z. B. durch Schals) ist kein Ersatz für das Abstandhalten und kein geeigneter Schutz in Situationen, die einen geringeren Abstand erzwingen (wie in öffentlichen Verkehrsmitteln).

Die zurzeit stark diskutierte und zum Teil schon umgesetzte Pflicht zum Tragen von einfachem Mund-Nase-Schutz(-Masken) wird nicht nur von den Experten des Robert-Koch-Institutes (RKI) äußerst kritisch gesehen.

Es sind hierbei folgende Aspekte zu beachten:

1. Ein MNS schützt weder vor einer eigenen Ansteckung mit SARS-CoV-2 noch ist er ein sicheres Mittel, andere Personen vor einer Ansteckung durch eine eigene Infektion zu bewahren.

Tragen infizierte Personen MNS, so wird die Verbreitung von Tröpfchen in der Atemluft als potenziellen Virenträgern zwar vermindert, jedoch dringen Mikroaerosole durch die meisten verwendeten Gewebe ungehindert hindurch.

2. Das Tragen des ungewohnten Schutzes verleitet die meisten Personen zu einem mehr oder weniger häufigen »Zurechtrücken« des Schutzes, dabei gelangen (besonders durch den häufig zu beobachtenden einhändigen Griff in Höhe der Nasenwurzel) die Hände ins Gesicht und in die Nähe der Augen. Das gleiche gilt für das An- und Ausziehen des Schutzes in der Öffentlichkeit (zu Verhaltenstipps siehe das Fazit).

3. Es wird von verschiedenen Seiten argumentiert, dass eine Mundschutzpflicht ein wesentlicher Faktor bei der Eindämmung der Epidemien in asiatischen Ländern wie China und Südkorea gewesen sei – dafür gibt es jedoch keine hinreichenden Daten.

Die Eindämmung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 war dort das Ergebnis äußerst strikter Maßnahmen zur Distanzwahrung oder sogar vollständigen Isolation, großflächiger Desinfektion ganzer Gebäude und Straßenzüge, lückenloser Verfolgung der Infektionsketten (besonders in Südkorea), Massentests und individueller Bewegungsverfolgung durch Smartphones.

Ob das Tragen von Gesichtsmasken (ursprünglich auch als Schutz vor Luftverunreinigungen in Asien auch vor der Pandemie weit verbreitet) dabei unterstützend, neutral oder negativ (siehe oben) gewirkt hat, ist durch fehlende Vergleichsdaten zurzeit völlig ungewiss.

Das aktuelle Beispiel der Stadt Jena, die am 2. April eine »Maskenpflicht« eingeführt hat und ab dem 10. April keine Neuinfektion meldet, ist aufgrund der ohnehin geringen Fallzahlen (155 nachgewiesene Infektionen insgesamt) und der vorher getroffenen Maßnahmen nicht aussagekräftig.

4. Das Tragen von MNS könnte zudem zur Vernachlässigung der Distanzwahrung als einzig wirksamer Maßnahme beitragen.

Die vermehrten Forderungen nach einer Mundschutzpflicht gehen regelmäßig mit der Annahme einher, dass eine solche Teil einer »Exitstrategie« inklusive einer Lockerung der Abstandregelungen sein könne – dies ist nach aktuellen Erkenntnissen jedoch eine unhaltbare und gefährliche Strategie.

Diagnose

Die frühen Symptome von SARS und COVID-19 sind denen der Wintergrippe sehr ähnlich,

und der wichtigste Weg zur Unterscheidung von Influenza und Lungenentzündung ist ein Rachen- und Nasenabstrich für einen Virustest.

Die momentan angewandten, sicheren Nachweismethoden beruhen allesamt auf PCR (Polymerase-Kettenreaktion) und nehmen einige Stunden in Anspruch. Meist wird der Test zweistufig durchgeführt, d.h. zuerst wird eine Virusinfektion durch unspezifische Primer bestätigt, dann SARS-CoV-2 durch spezifische Primer nachgewiesen.

Sogenannte Schnelltests suchen dagegen nach Antikörpern, die der Körper nach einer Infektion zu bilden beginnt. Diese Tests greifen daher erst einige Tage nach der Infektion und sind recht unspezifisch, sie können beispielsweise durch frühere Infektionen mit CoVs verfälscht werden. Daher bedarf jeder Verdachtsfall einer Überprüfung durch einen spezifischen PCR-Test.

Behandlung

Da SARS-CoV[-1] und SARS-CoV-2 ähnliche Symptome hervorrufen, können die Erfahrungen aus der Pandemie von 2003 für die Behandlung von COVID-19 genutzt werden.

SARS-Patienten wurden isoliert und antiviral sowie symptomatisch behandelt, als Medikamente kamen Hormone, Glukokortikoide und Interferon zum Einsatz.

Für COVID-19 kam in China u.a. eine Kombination von Lopinavir als Protease-Hemmstoff, der auch für HIV-Infektionen eingesetzt wird, in Kombination mit Ritonavir als Verstärker zum Einsatz. Die Kombination hat deutliche Anti-Coronavirus-Aktivität in vitro, der klinische Effekt ist noch festzustellen.

Bei der SARS-Pandemie 2003 wurde in Kanada erstmals Interferon eingesetzt – ursprünglich entwickelt zur Behandlung chronischer Hepatitis, erwies es sich als äußerst vielversprechend.

Bei der MERS-Epidemie wurde eine Kombination von Interferon-alpha und Ribavirin in den USA erfolgreich getestet.

Seit kurzem wird das in Kuba entwickelte Medikament Heberon Alfa R in Zusammenarbeit mit China in großem Stil (und extrem preiswert im Vergleich zu US-amerikanischen und deutschen Produkten) produziert.

Auch bekannte Wirkstoffe wie Nelfinavir greifen spezifisch die Protease von CoVs an.

Das für Ebola entwickelte Nukleosidanalogon Remdesivir wird derzeit in den USA als Propharmakon getestet und intravenös verabreicht.

In China werden derzeit mehr als 30 potenzielle Wirkstoffe getestet.

Genetik der CoVs

Coronaviren haben die größten Genome aller RNA-Viren (bei SARS-CoV-2 sind es 29.903 Basen).

Innerhalb der Coronaviren formen die humanpathogenen Viren aufgrund der genetischen Ähnlichkeit eine Gruppe zusammen mit einem Fledermaus-Coronavirus (bat-SL-CoVZXC21) aus dem Südwesten Chinas.

Die genomische Ähnlichkeit von SARS-CoV[-1] und SARS-CoV-2 ist sehr groß, es gibt jedoch sechs Abschnitte, die Unterschiede aufweisen. Einer davon codiert Teile des S-Gens (s.u.), die anderen sind für zwei sogenannte orf lab-Gene zuständig (orf7b und orf 8).

Die beiden SARS-CoVs sind enger miteinander verwandt als mit MERS-CoV.

26 der 28 codierten Proteine von SARS-CoV-2 sind mit denen von SARS-CoV[-1] zu 76-99% identisch, zwei Proteine (orf8 und orf10) haben keine Homologe in SARS-CoV[-1].

Die Funktion dieser Proteine ist unbekannt und dessen Aufklärung von großer klinischer Bedeutung.

Das für die Virushülle zuständige Protein (Nukleokapsid-Protein) ist bei beiden SARS-CoVs sehr ähnlich, so dass Antikörper gegen das N-Protein von SARS-CoV[-1] wahrscheinlich auch SARS-CoV-2 erkennen werden – dies ist auch die Grundlage von Schnelltests.

Mutiert dagegen ist das Gen (S-Gen), welches für die Bildung der charakteristischen »spikes«, der Stacheln des Virus, zuständig ist.

Die spikes sind für die Verbreitung und Pathogenität des Virus entscheidend, da das Virus mit ihnen an die Wirtszellen bindet und in diese eindringt.

SARS-CoVs binden an den ACE2-Rezeptor (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2) und hemmen gleichzeitig dessen Funktion, was u.a. zu erhöhter Gefäßpermeabilität in der Lunge führt und zentraler Teil der Pathologie von SARS und COVID-19 ist.

Im direkten Vergleich nutzt SARS-CoV-2 die ACE2-Rezeptoren effizienter als SARS-CoV[-1] des Jahres 2003, aber weniger effizient als SARS-CoV[-1] von 2002.

Die Mutation der Proteine, besonders des S-Proteins, ist verantwortlich für die beiden wichtigsten Eigenschaften des neuen humanen CoVs: eine höhere Infektionseffizienz und höhere Pathogenität als Fledermaus-SARS-CoVs, jedoch eine geringere Pathogenität als SARS-CoV[-1].

Viren mutieren ständig und während einer Pandemie werden somit auch häufig neue Varianten des Virus auftauchen. Nicht alle, genauer gesagt: nur wenige Mutationen werden neue Eigenschaften hervorrufen, aber es ist nicht auszuschließen, dass die z.T. stark variierende Letalität von COVID-19 in verschiedenen Populationen auch auf Mutationen des Erregers zurückgeht.

Fazit

COVID-19 hat, bei entsprechender medizinischer Betreuung, eine Letalität in der Größenordnung der Wintergrippe von 2017 (verursacht durch vier verschiedene Influenzaviren), allerdings zeigt der Verursacher SARS-CoV-2 eine wesentlich höhere Verbreitungseffizienz.

Dazu trägt auch die relativ lange Inkubationszeit bei, verbunden mit vielen leicht verlaufenden Erkrankungen, die oft gar nicht als COVID-19 erkannt werden (können).

Ohne eine Eindämmung der Verbreitung durch entsprechende Maßnahmen der Kontaktvermeidung, könnte im Vergleich zur Wintergrippe 2017 die fünf- bis siebenfache Anzahl von Personen (bis 60 Millionen) im gleichen oder sogar kürzeren Zeitraum infiziert werden und damit gleichzeitig ein Vielfaches von Schwererkrankten auftreten, die das Gesundheitssystem überfordern würden, d.h. für die keine adäquate medizinische Betreuung möglich wäre.

Kritische, d.h. potenziell tödliche Krankheitsverläufe sind fast ausschließlich für bestimmte Risikogruppen zu erwarten, die daher eines besonders effektiven Schutzes vor Infektion bedürfen.

Zur Beherrschung der Folgen der Ausbreitung dieses neuartigen Coronavirus ist daher eine Kombination von allgemeiner Ausbreitungseindämmung (z.B. durch hygienische Maßnahmen und Verhaltensänderungen bei Direktkontakt), Isolation der Risikogruppen, Anpassung der bekannten und Entwicklung neuer Methoden der klinischen Symptombehandlung, Entwicklung und Anwendung eines Impfstoffes und Nutzung der Immunität nach durchlaufener Infektion (mit oder ohne Symptome) vonnöten.

Letzteres scheint als einziger Punkt zu wenig Beachtung zu finden, und könnte sich kritisch bei der mittel- und langfristigen Beherrschung der Pandemie auswirken, da eine zu starke Isolation von Nicht-Risikogruppen die Ausbildung flächendeckender Immunisierung vermindert, die letztendlich der einzig wirksame Schutz der gesamten Population ist.

Langfristig wird gerade in Pflegeeinrichtungen immunisiertes Personal benötigt, die den Erreger nicht mehr übertragen können.

Auch die glücklicherweise völlige Unempfindlichkeit von Kindern für SARS-CoV-2 könnte für eine »Herdenimmunisierung« genutzt werden, jedoch sind für die Kontrolle einer solchen flächen- bzw. gruppendeckende Test vonnöten.

Es sei auch erwähnt, dass wahrscheinlich der öffentliche Personennahverkehr ein zentraler Verbreitungsfaktor von SARS-CoV-2 ist. Daher ist zum Schutz der Personen, die darauf angewiesen sind, eine deutliche Verminderung der Fahrgastdichte zu gewährleisten – auf keinen Fall dürfen Fahrtakte aus wirtschaftlichen Gründen gesenkt werden!

Die Risiken der Einführung einer allgemeinen »Mundschutzpflicht« wurden weiter oben beschrieben; sollte es dennoch zu solchen Maßnahmen kommen, sind folgende Verhaltensregeln zu beachten:

1. Wenn irgend möglich, Einweg-Produkte aus eigens dafür entwickeltem Papier oder Vliesgewebe benutzen.

Mund-Nase-Schutz (MNS) aus anderen Stoffen ist eventuell in beide Richtungen (Infektionsvermeidung für sich selbst und das Gegenüber) nutzlos, außerdem werden die meisten Stoffe durch (besonders heißes) Waschen durchlässiger für Aerosole.

Einwegmasken müssen bei einer Mundschutzpflicht kostenlos und in genügend großer Menge bereitgestellt werden, da sonst gerade die ärmeren Bevölkerungsschichten gezwungen werden, überteuerte Produkte zu kaufen oder ungeeigneten MNS zu verwenden, was das Infektionsrisiko in diesen sozialen Gruppen erhöhen könnte.

2. Der einfache Mund-Nase-Schutz ist vor dem Verlassen der Wohnung mit sauberen Händen anzuziehen und darf danach (jedenfalls nicht nachdem mit den Händen etwas berührt wurde!) weder zurechtgerückt, noch aus- und wieder angezogen werden.

3. Außerhalb der Wohnung sind auch mit MNS unbedingt die Abstandsregeln zu beachten!

4. Nach Erreichen des Ziels (entweder wieder die Wohnung nach Einkauf bzw. Spaziergang oder des Arbeitsplatzes) erst die Hände gründlich waschen (30 Sekunden mit Seife, Desinfektionsmittel ist nicht nötig), dann den MNS abnehmen und entsorgen (dringend empfohlen) oder in die Waschmaschine tun, dann noch einmal die Hände waschen.

5. Falls die Distanz von 1,5 m unterschritten werden muss, ist der MNS für den Selbstschutz nur effektiv in Verbindung mit einem Augenschutz (Schutzbrille oder Gesichtsvisier), das Gegenüber ist dabei aber nicht geschützt!

Zusammenfassend ist zum Thema Mundschutzpflicht festzustellen, das diese nicht Teil einer »Exitstrategie« sein darf, sondern nur in Verbindung mit den bisherigen Maßnahmen und Einhaltung strikter Regeln (s. oben) hilfreich sein könnte oder zumindest keine negativen Auswirkungen haben wird.

Ständig aktualisierte Informationen:

Robert-Koch-Institut 2020:

SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html

Aktuelle COVID-19-Fallzahlen für Deutschland, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html

Johns-Hopkins-Universität:

2019 Novel Coronavirus COVID-19 (2019-nCoV) Data Repository by Johns Hopkins CSSE, https://github.com/CSSEGISandData/COVID-19

Häufige Abkürzungen:

2019-nCoV ursprünglicher Name von →SARS-CoV-2

CoV coronavirus (Coronavirus)

COVID-19 coronavirus disease 2019 (Coronaviruskrankheit-2019) verursacht von →SARS-CoV-2

MERS Middle East respiratory syndrome (Nahost-Atemwegssyndrom)

MERS-CoV humanes CoV als Verursacher von →MERS

SARS Severe Acute Respiratory Syndrome (schweres akutes respiratorisches Syndrom = akutes Atemwegssyndrom)

SARS-CoV[-1] humanes CoV mit Krankheitsausbruch im Jahre 2002

SARS-CoV-2 humanes CoV entdeckt 2019, offiziell am 11. Februar 2020 benannt

https://www.jungewelt.de/artikel/377249.fakten-gegen-panikmache-kleines-corona-kompendium.html
 
 

Liebe Leserinnen und Leser,

liebe Interessierte an einer neuen Handelspolitik,

wir hoffen, dass Sie gut ins neue Jahr gekommen sind und wünschen Ihnen alles Gute für 2020.

Wir hoffen auch, dass Sie in diesem Jahr erneut voller Energie mit uns für einen gerechten Welthandel streiten werden – zu tun gibt es genug! Bereits am Samstag nächster Woche werden wir uns an der bundesweiten Großdemonstration „Wir haben es satt!“ beteiligen. Im gemeinsamen handelspolitischen Block fordern wir, ein Veto gegen das EU-Mercosur-Handelsabkommen einzulegen, das dramatische Folgen für das Klima und die bäuerliche Landwirtschaft dies- und jenseits des Atlantiks hätte. Sind Sie am 18. Januar in Berlin mit dabei?

Alle Informationen zur „Wir haben es satt!“-Demonstration sowie zu weiteren Themen aus der Welt der Handels- und Investitionspolitik erfahren Sie in diesem Newsletter.

+ + + 2020 gemeinsam gegen das EU-Mercosur-Handelsabkommen + + +

2020 stehen wichtige Entscheidungen an, unter anderem soll das Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten abgeschlossen werden: Nach der juristischen Prüfung, Ergänzung der noch fehlenden Textteile und Übersetzung in alle EU-Amtssprachen könnte es im zweiten Halbjahr dem EU-Ministerrat vorgelegt werden. Ein Inkrafttreten des EU-Mercosur-Abkommens wollen wir verhindern und fordern von der Bundesregierung, ein Veto im Rat einzulegen! Denn das Abkommen verfestigt ein Landwirtschaftsmodell, das auf Monokulturen und massiven Pestizideinsatz setzt, und hat dramatische Folgen für Umwelt und Gesundheit der Menschen vor Ort. Es wird den ruinösen Preiskampf in der globalen Landwirtschaft noch weiter verschärfen, die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes beschleunigen und den Klimawandel weiter anheizen.

Die neue österreichische Regierung hat sich bereits gegen das EU-Mercosur-Abkommen positioniert und im Regierungsübereinkommen ein klares Nein verankert. Schon im letzten Jahr positionierten sich Frankreich, Irland, und Luxemburg gegen das Abkommen in der aktuellen Form. Und auch im EU-Parlament gibt es heftigen Gegenwind: Mitte Dezember diskutierten die Abgeordneten über die Vereinbarkeit des Abkommens mit den Klimaschutz-Zielen – und kamen zu folgendem Ergebnis, wie Top Agrar berichtete: „Die anhaltende Vernichtung von Regenwäldern für den Anbau von Soja und Rinderzucht im Amazonasbecken, sei weder mit den Nachhaltigkeitszielen des Pariser Klimaabkommens noch mit dem Green Deal der von der Leyen-Kommission vereinbar. Dies war der Grundtenor der eineinhalbstündigen Aussprache im EU-Parlament am Mittwochnachmittag in Straßburg.“

Die Bundesregierung hingegen hält unbeirrt an ihrer Befürwortung des Abkommens fest und streitet alle negativen Auswirkungen des Abkommens ab, was sich beispielsweise in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag vom November zeigte. Daher lasst uns gemeinsam Druck machen und unseren Protest auf die Straße tragen!

Wir rufen dazu auf, bei der „Wir haben es satt!“-Demonstration am 18. Januar in Berlin teilzunehmen. Gemeinsam mit Attac, NaturFreunden und vielen weiteren organisieren wir einen handelspolitischen Demo-Block.

Statt blinder Marktöffnungen und Handelsabkommen im Interesse von Konzernen fordern wir eine gerechte Handelspolitik, die dem Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz dient und die bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft fördert.

Aufruf zum Handels-Block unter https://www.wir-haben-es-satt.de/informieren/aufruf/handelsblock/

Zum Weiterlesen: Sieben Gründe gegen das EU-Mercosur-Abkommen

In den kommenden Wochen und Monaten wollen wir unsere Kritik am EU-Mercosur-Abkommen bündeln, uns mit weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren vernetzen und Aktivitäten planen. Gemeinsam mit weiteren Organisationen und Verbänden veranstalten wir daher im Februar ein zivilgesellschaftliches Ratschlags-Treffen zum EU-Mercosur-Abkommen in Berlin.

+ + + 2020 gemeinsam gegen CETA + + +

2020 könnte auch das entscheidende Jahr sein, um das EU-Kanada-Abkommen CETA zu stoppen! In den Niederlanden regt sich derzeit parlamentarischer Widerstand gegen das Abkommen – gut möglich, dass es bei den bevorstehenden Abstimmungen in der ersten oder zweiten Kammer scheitern wird.

In Deutschland muss das Bundesverfassungsgericht noch über eine Verfassungsbeschwerde entscheiden, die Campact, Foodwatch und Mehr Demokratie mit Unterstützung von über 125.000 Menschen eingereicht haben. Die Beschwerde richtet sich gegen die durch CETA geschaffenen Ausschüsse, gegen die Sonderklagerechte für Konzerne und gegen einige weitere Aspekte des Abkommens. Auch die Partei Die Linke hat vor dem Bundesverfassungsgericht gegen CETA geklagt, auch hier steht eine Entscheidung noch aus. Sollte das Bundesverfassungsgericht keine Bedenken gegen CETA haben, könnte die Große Koalition auch hierzulande ein Ratifizierungsgesetz auf den Weg bringen. Dann wird es in erster Linie darauf ankommen, dass Die Linke sowie Bündnis90/Die Grünen weiterhin an ihrem Nein zum Abkommen festhalten. Im Bundesrat verfügen die Landesregierungen mit grüner Regierungsbeteiligung aktuell über 41 von 69 Stimmen, damit können sie das Abkommen dort stoppen.

Doch auch bei der SPD ist möglicherweise noch nicht alles entschieden. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans stehen CETA betont kritisch gegenüber, wie sie uns vor ihrer Wahl zum Parteivorsitz mitteilten. Insbesondere wegen der enthaltenen Sonderklagerechte für Investoren bewerten sie das Abkommen als „unzureichend“ und fordern ihre Partei zu einer weiteren Befassung mit dem Thema auf. Wir hoffen, dass diesen Aussagen Taten folgen werden!

+ + + 2020 gemeinsam gegen Sonderklagerechte für Konzerne! Verleihung der „Goldenen Klobürste“ an Vattenfall und Uniper + + +

Vor knapp einem Jahr, im Januar 2019, starteten wir gemeinsam mit über 200 europäischen Organisationen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen die Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“. Damit setzen wir uns für ein Ende der Sonderklagerechte ein, welche im Rahmen von Handels- und Investitionsschutzabkommen an internationale Investoren verliehen werden. Zudem fordern wir verbindliche globale Regeln, um Konzerne für Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltschutz zur Rechenschaft zu ziehen.

Weit über 600.000 Menschen haben seitdem schon für unsere Forderungen unterschrieben – Sie auch? Wir bitten Sie darum, die Petition zu unterzeichnen und den Link an Freund*innen, Verwandte und weitere Interessierte weiterzuleiten: www.gerechter-welthandel.org/menschenrechte-schuetzen-konzernklagen-stoppen. Ende Januar wollen wir die Unterschriften an das Wirtschaftsministerium übergeben. Unsere Kolleg*innen in Brüssel kümmern sich darum, dass auch die EU-Kommission unsere Unterschriften persönlich entgegen nimmt.

Einige der an der Kampagne beteiligten Organisationen haben den Negativpreis der „Goldenen Klobürste“ aus der Taufe gehoben. Für den Preis nominiert wurden Unternehmen, die sich durch besonders schlechtes Verhalten gegenüber der Bevölkerung, dem Klima- oder Umweltschutz ausgezeichnet haben. In Deutschland wollen wir die „Goldene Klobürste“ an die Energiekonzerne Vattenfall und Uniper verleihen, die sich durch die Anrufung von internationalen Schiedsgerichten gegen den Umwelt- und Klimaschutz stellen und die demokratische Energiepolitik torpedieren.

+ + + Veröffentlichungen + + +

Der globale Emissionstransfer: Warum die EU-Klimabilanz nicht die handelspolitische Wahrheit sagt

Die EU-Bilanz der Treibhausgasemissionen ist erheblich geschönt. Denn unberücksichtigt bleiben die riesigen Nettoimporte von Emissionen. Würden die dreckigen Lieferketten europäischer Konzerne offiziell bilanziert, müssten die EU-Reduktionsziele weit höher ausfallen.

https://thomas-fritz.org/default/der-globale-emissionstransfer

 

+ + + Termine + + +

Klimakiller Freihandel: Was das EU-Mercosur Abkommen mit Klimagerechtigkeit zu tun hat

13. Januar 2020, 18:30-20:30, Berlin

Fleisch gegen Autos, auf diese Formel wird das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur Ländern (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) oft heruntergebrochen. Doch auch darüber hinaus behindert das Abkommen den Kampf für Klimagerechtigkeit auf vielfältige Weise. In dieser Veranstaltung wollen wir anhand von zwei kurzen Vorträgen das Handelsabkommen der EU mit dem Mercosur genauer unter die Lupe nehmen und diskutieren, wie Handelsabkommen einer gerechten Klimapolitik im Wege stehen. Zudem wollen wir sehen ob und wo es Anknüpfungspunkte für eine gemeinsame Arbeit der Handels- und Klimabewegung und Möglichkeiten zum Handeln gegen das Abkommen gibt. Diese Veranstaltung richtet sich vor allem an Aktivistis aus der vielfältigen Klimabewegung, aber auch alle anderen interessierten Menschen sind herzlich willkommen!

Referentinnen: Camila de Abreu (Aktivistin der Brasilien Initiative in Berlin und des RefrACTa Coletivo Brasil-Berlin), Bettina Müller (PowerShift)

Veranstaltet von Attac Berlin, Extinction Rebellion Berlin, und PowerShift e.V.

Alle Infos im Facebook-Event: www.facebook.com/events/434737744136844/

„Wir haben es satt!“-Demonstration: Agrarwende anpacken, Klima schützen!

18. Januar 2020, 12 Uhr, Berlin

Alle Informationen unter www.wir-haben-es-satt.de

Aufruf zum handelspolitischen Block: www.wir-haben-es-satt.de/handel

Protestaktion gegen Konzernklagen und Preisverleihung der „Goldenen Klobürste“ an Vattenfall und Uniper

21. Januar 2020, 13-15 Uhr, Berlin

Eine Aktion im Rahmen der Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“

Weitere Infos in Kürze unter www.gerechter-welthandel.org

Zivilgesellschaftliches Ratschlags-Treffen zum EU-Mercosur-Abkommen: Gerechter Welthandel statt „Fleisch für Autos“-Deals!

10. Februar 2020, 10-16 Uhr, Berlin

Veranstaltet von: AbL, Attac, Brot für die Welt, BUND, Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen/Bremen/Hamburg, Forum Umwelt und Entwicklung, IG Nachbau, Greenpeace, Misereor, NaturFreunde, Netzwerk Gerechter Welthandel, PowerShift

Alle Informationen, Programm sowie Anmeldeformular unter https://www.gerechter-welthandel.org/eu-mercosur-treffen2020/

Sie wollen noch mehr Informationen zur Handelspolitik? Dann besuchen Sie unsere Webseite www.gerechter-welthandel.org, unsere Facebook-Seite www.facebook.com/netzwerkgerechterwelthandel oder folgen Sie uns auf Twitter https://twitter.com/NetzWelthandel.

Der nächste Newsletter erscheint in ca. 4-6 Wochen.

Impressum:

Forum Umwelt und Entwicklung, Marienstraße 19-20 - 10117 Berlin

 

https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2019-7-US-Klima-Web.pdf

.... Auszug rauskopiert - hier schon mal das Fazit aus dieser Studie:

Fazit:
Zu diesem Schluss
kommt ein neuer Sonderbericht des Weltklimarats IPCC.
Der
Bericht bestätigt, dass sich der Klimawandel immer fataler und einschneidender auf die Weltmeere und die Kryosphäre (Gesamtheit des in gefrorenem Zustand auf der Erde vorkommenden Wassers) auswirkt. Alle bisherigen Prognosen zum Anstieg des Meeresspiegels und dem Schmelzen der weltweiten Eis- und Schneevorkommen müssen nach oben korrigiert werden.
Beson
ders gravierend sieht es in Grönland und der Arktis aus, wo sich der Klimawandel mit nahezu doppelter Geschwindigkeit vollzieht. Auch die Folgen der Erwärmung für die Meeresumwelt sind dramatisch. Die Ozeane leiden unter Sauerstoffmangel und versauern immer schneller. Die Folgen: Extreme Hitzewellen werden zunehmen mit entsprechenden Konsequenzen für die Meeresbewohner und die Küstenmetropolen dieser Welt. Die Forscher malen ein düsteres Bild für die Zukunft unseres Planeten, wenn nicht schnell und energisch gegengesteuert wird.
Eine geringe Hoffnung die schlimmsten Auswirkungen zu vermeiden besteht noch: Es muss zu drastischen und sofortigen Einsparungen bei den CO2-Emissionen kommen.52  Bedingt durch den menschlichen Einfluss sind vier von neun planetaren Grenzen53 bereits überschritten: Klimawandel, Biodi-versität, Landnutzung und biogeochemische Kreisläufe.
Dies ist
das Fazit eines internationalen Teams von 18 Wissenschaftlern im Fachjournal Science. Zwei dieser Grenzen, nämlich Klimawandel und Artensterben, sind von entscheidender Bedeutung für das Erdsystem wie wir es kennen. Werden sie deutlich überschritten, sind irreversible Veränderungen nicht mehr zu vermeiden.54 Die bisherigen Voraussagen und Annahmen zu den Auswirkungen der anthropogenen Klimaerwärmung waren zu „optimistisch“ und die globale Erhitzung entwickelt sich weitaus drastischer – und vor allen Dingen schneller – als bisher angenommen. Um die Klimaziele bis 2050 zu erreichen, verfügt die Menschheit über ein weitaus geringeres CO2-Budget als bisher angenommen.55
Aus den bisherigen Studien und Untersuchungen kann man
schlussfolgern, dass das Militär – neben der industriellen Landwirtschaft (eine der zerstörerischsten Industrien und schlimmsten Klimasünder dieses Planeten56) und den fossilen Konzernen (die Rohstoffkonzerne sind in besonders großem Umfang mit maßloser Umweltzerstörung, Kinderarbeit und Kriegen verbunden57) – weltweit der wahrscheinlich bedeutendste institutionelle Umweltverschmutzer ist.
Es ist nur logisch anzunehmen, dass
die desaströse Umweltbilanz des US-Militärs auch auf alle anderen Militärmaschinerien dieses Planeten überschrieben werden kann, nur eben nicht in diesem gigantischen Ausmaß, betrachtet man die größten globalen Rüstungshaushalte. Die USA gaben im Jahre 2018 fast so viel für militärische Rüstung aus (649 Milliarden US-Dollar) wie die nachfolgenden neun Staaten zusammen (China (250 Milliarden Dollar), Saudi-Arabien (67.6 Milliarden Dollar), Indien (66.5 Milliarden Dollar), Frankreich, (63.8 Milliarden Dollar), Russland (61.4 Milliarden Dollar), Großbritannien (50 Milliarden Dollar), Deutschland (49.5 Milliarden Dollar), Japan (46.6 Milliarden Dollar) und Südkorea (43.1 Milliarden Dollar); gesamt (698.5 Milliarden US-Dollar)).58

Konsequenterweise muss man zu dem Schluss gelangen, dass die Umweltzerstörungen durch den US-Militärapparat auch ein einzigartiges Level aufweisen und damit beträchtliche Auswirkungen auf die weltweiten THG-Emissionen haben. Selbstverständlich gilt dies für alle großen Militärnationen auf diesem Globus.
Ein bedeutender Anteil der Maßnahmen gegen den men
schengemachten Klimawandel müsste deshalb eine umfassende Abrüstung beinhalten, stattdessen geschieht genau das Gegenteil. Die neusten Zahlen von 2018 des Stockholm International Peace Research Institute, SIPRI, sind ein bitteres Zeugnis dieser Tatsache.59 Die Welt muss die THG-Emissionen verringern, wenn sie noch an einer lebenswerten Zukunft interessiert ist, darüber ist sich die derzeitige multinationale Wissenschaftsforschung nahezu übereinstimmend sicher.60 Die Umweltzerstörung und das Aufheizen der Erde durch die weltweiten Militärapparate muss ebenso gestoppt werden, ansonsten gleicht der ernsthafte Versuch die THG-Emissionen zu stoppen einem Scheingefecht.
Auch in Deutschland wird die indirekt umweltgefährdende
Wirkung der Rüstung schon beim Blick auf den Bundeshaushalt unmittelbar klar: Der Rüstungshaushalt der Bundeswehr für 2019 erreicht einen neuen Rekord und steigt - nach einem geplanten Nachschlag - von circa 38,5 Milliarden auf mehr als 43,2 Milliar-den Euro.61 Damit ist für »Verteidigung« in diesem Jahr deutlich mehr Geld vorgesehen als für die Bereiche Umwelt, Gesundheit, Bildung und Forschung zusammen. Der Topf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit steigt von knapp 2 Milliarden auf knapp 2,3 Milliarden Euro.62 Das Verhältnis von Militärausgaben und dem Etat der unter anderem den Schutz der Umwelt organisiert, beträgt fast zwanzig zu eins. Dabei müsste das Verhältnis genau umgekehrt sein.Die Lippenbekenntnisse unserer Politiker zum Umweltschutz sind pure Heuchelei angesichts ihrer realen Handlungen, darüber sollte man sich keinerlei Illusionen machen.
Leider machen die Leitmedien gekonnt einen großen Bogen
um dieses heiße Eisen. Eine Treffersuche dieser bahnbrechenden Untersuchungen zeigte ein kollektives journalistisches Totschweigen. Egal ob ARD, ZDF, Deutschlandfunk & Co über SPIEGEL (Slogan: „SPIEGEL-Leser wissen weniger“), ZEIT, TAZ, FAZ, WELT, SZ (Süddeutsche Zeitung), diversen überregionalen Tageszeitungen wie FR (Frankfurter Rundschau) oder Berliner Morgenpost (unsere selbsternannten Flaggschiffe der Demokratie), bis hin zu dem absoluten Tiefpunkt des seriösen Journalismus BILD – keinerlei Treffer.  Da die notwendigen Veränderungen nicht freiwillig geschehen, muss ein organisierter, gesellschaftlich weltumspannender Druck entstehen, der von allen Schichten der Gesellschaft unterstützt und getragen wird. Nur so kann es zu ernsthaften, positiven und dringend erforderlichen Systemveränderungen kommen.
Der weltweite Protest von Extinction Rebellion, Fridays for
Future, indigener Völker, der Gelbwesten, ATTAC, zahlloser Umweltverbände wie Greenpeace u.v.a. zeigt beispielhaft, wie dieser notwendige Widerstand entstehen kann. Friedensbewegung und Umweltschutzorganisationen sollten zudem an einem Strang ziehen und eng miteinander kooperieren, denn sie alle eint derselbe Feind. Den Ruf nach einer Beendigung der Umweltzerstörung durch Militär und Kriege sollten sowohl Umweltbewegung wie auch Friedensbewegung als zentrale Forderung an die Politik adressieren.
Prof. Dr. Rainer Mausfeld hat das gegenwärtige Problem der
Mobilisierung der Massen in einem seiner Vorträge über die Verwüstungen des globalen Neoliberalismus treffend auf den Punkt gebracht:  „Dies [die politische Apathie und soziale Fragmentierung unserer Gesellschaft] sind keine Folgen zufälliger Entwicklungen, sondern Erfolge einer jahrzehntelangen, systematischen Indoktrination durch die herrschenden Eliten. Mehr als fünfzig Jahre Elitendemokratie haben uns gezeigt, wohin dieser Weg führt. Es ist der Weg der Zerstörung. Der Zerstörung von Gemeinschaft, der Zerstörung der Idee von Gemeinschaft, der millionenfachen Zerstörung von Leben, der Zerstörung von kultureller und zivilisatorischer Substanz – vor allem der Dritten Welt – und der Zerstörung unserer ökologischen Grundlagen. Die Nutznießer dieser Zerstörung sehen keinen Grund ihren Weg zu ändern. Die dazu notwendige Veränderungsenergie kann nur von unten kommen – von uns.
Das ist unsere Aufgabe und das ist unsere Verantwortung.“
63 Wir sind augenblicklich Zeitzeugen, wie eine vier Milliarden Jahre alte Erdentwicklung in einer globalen Wirtschaftsmaschinerie verheizt und ausgelöscht wird. Diese »Megamaschine« erzeugt einen monströsen Überfluss an Warenschrott und produziert zugleich Unmengen von Müll. Sie häuft aberwitzigen Reichtum, massenhaftes Elend, sinnlosen Leerlauf (sog. Bullshit Jobs), Überarbeitung und permanente ökologische Zerstörung an.64  Im Ganzen gesehen repräsentieren die THG-Emissionen, die Ressourcenplünderung imperialer Kriege und die damit ein-hergehende Umweltvernichtung durch die militärischen Zerstörungsmaschinerien solch ein katastrophales Bild, dass eine Lösung der kommenden apokalyptischen Klimakatastrophe ohne Abrüstung und eine Politik des Friedens – und nicht der Eskalation – schlicht nicht vorstellbar ist. Den Profiteuren der globalen Militärgewalt muss ebenfalls das Handwerk gelegt werden, ansonsten wird sich die gesamte Menschheit in einem Alptraum ohne Erwachen wiederfinden, bis zu ihrem bitteren Ende.

 

Verkehrswende Der Pkw ist die Geißel der Menschheit. Lasst uns Straßen rückbauen, die Bahn stärken und Autokonzerne zerschlagen!

 

Wir setzen uns in eine Zeitmaschine. Surren Sie mit, hinein in die Utopie! Die Krise des Autokartells ist unsere Chance. Wir müssen in Deutschland anfangen – von hier fand das Auto, diese zerstörerische Kreatur der Moderne, seinen Weg in die Welt. 100 Millionen Menschen starben seit seiner Erfindung durch Unfall oder Kfz-bedingte Umweltverschmutzung, jährlich sind es drei Millionen, Tendenz steigend. Dies gilt es zu bekämpfen. Wir haben eine Welt zu gewinnen, wenn wir uns von den Ketten des Autowahns befreien. Folgen Sie mir in eine Welt radikaler Entschleunigung, mit kurzen Wegen für alle.

Das erfordert massive Geschwindigkeitsbegrenzungen auf allen Straßen, die Aufhebung der Vorfahrt des Kfz, Downsizing, autobefreite Städte, massiven Ausbau des Umweltverbunds von Bahn, ÖPNV, Rad und Fuß sowie basisdemokratische Bremsung des Kapitals durch Bekämpfung von Bodenspekulation und Mietwucher, außerdem die Vergesellschaftung und Zerschlagung der Autokonzerne.

Konkret bedeutet das: Tempolimits von 120 km/h (ab 2030: 100 km/h) auf der Autobahn, 80 km/h (später: 70 km/h) auf der Landstraße und 30 km/h (teils 15 km/h) innerhalb geschlossener Ortschaften. Ein solches Dreifachlimit wäre ein globaler Meilenstein. Ab 2020 werden hohe Steuern für hohe PS-Zahlen fällig. Es gibt eine Beschränkung der Länge und Breite von Privat-Pkw. SUVs erhalten Aufschläge (Super-Punishment) und dürfen in Umweltzonen nicht einfahren. Die Nullemissionsrechnung von Elektrofahrzeugen wird abgeschafft. Denn nur den Motor auf „E“ zu switchen, bringt überhaupt nichts.

Bis 2030 sind die Innenstädte autobefreit, frühere Parkplätze werden begrünt. Tiefgaragen sind abgerissen oder umgewidmet. Der Verkehrsraum steht in erster Linie den Fußgängern und Radfahrern zur Verfügung. Plätze und Straßen werden begrünt und zu Orten der Kommunikation. App-gesteuerte öffentliche Kleinbusse klauben Passagiere auf und bringen sie ans Ziel. In der Regel haben sie einen Fahrer. Autonome Fahrzeuge werden nur als öffentliche Transportmittel zugelassen.

Der Lieferverkehr geschieht mit Citylogistik mittels Lastenpedelecs, elektrischen Kleintransportern, Gütertrams und – soweit vorhanden – Güter-U- und S-Bahnen. Weitverzweigte Fußgängernetze sind barrierefrei, das heißt: an den Querungen der wenigen verbliebenen Straßen erhöht.

In der Kernstadt gelten hohe Parkkosten. Gehwegparken ist abgeschafft, der übrige Parkraum an der Straße wird stark reduziert. Ab 2030 ist die Einfahrt von Privat-Pkws in die Städte untersagt. Es gibt drei verschiedene Radwege, die alle der Autostraße abgetrotzt werden: Mischverkehr mit Fußgängern (Schrittgeschwindigkeit), drei Meter breite Radfahrstraßen (20 km/h) und Schnellwege (innerorts 30, außerhalb 50 km/h). Radler haben in der ersten Phase (bis 2030) überall Vorfahrt, danach gibt es in der Stadt nur noch öffentliche Fahrzeuge, Räder, Pedelecs und gedeckelt: E-Roller.

Tram, Bus und Bahn werden ausgebaut, bis 2040 komplett elektrifiziert (hauptsächlich mit Oberleitung). Die Bahn wird von 33.000 Kilometer auf eine Flächenbahn mit 70.000 Kilometern erweitert. Die Zahl der Bahnhöfe wird verdreifacht, nie bleibt eine Station ohne Personal.

Pkw-Pendeln wird teuer, die Bahn verbilligt, der ÖPNV fahrscheinfrei. Der Gütertransport wird real bepreist, seine Wegelänge reduziert und auf die Bahn verlagert. Geschäftswagen und Autowerbung sind verboten, ebenso wie Inlandsflüge und Motorräder (auf öffentlichen Straßen). Digitale Bremser verhindern Geschwindigkeitsüberschreitungen.

Straßen werden rückgebaut. Autobosse und Verkehrsminister werden angeklagt wegen massenhaften Totschlags. Reine Wohngebiete sind passé, die Kommunen vergesellschaften den Grund. Mieten sind gedeckelt, das Autokartell aus VW, Audi, Mercedes und BMW wird vergesellschaftet, in Betriebe des öffentlichen Verkehrs transformiert und basisdemokratisch verwaltet.

2040 legt eine durchschnittliche Bundesbürgerin damit nur noch 800 Kilometer mit dem Pkw zurück. Sie fährt fünfmal so viel Bahn und Rad, viermal so viel ÖPNV, und sie geht viermal so viel zu Fuß wie unsereins im Jahr 2019. Und doch ist sie nur noch 6.000 statt heute 14.000 Kilometer unterwegs. Die Städte kommen weltweit zu neuer Blüte, das Leben findet wieder auf der Straße, auf Plätzen und in Cafés statt.

Kinder sind von der Käfighaltung befreit und können herumstreunen. Es gibt keine fußgängerverlassenen Dörfer und Kleinstädte mehr. Alles ist ohne Dreck, Motorenlärm und Todesgefahr. Kleine Geschäfte sind überall lebensfähig, Schulen fußläufig und gefahrlos erreichbar. Mensch und Tier werden nicht mehr überfahren, die Natur atmet auf. Die Klimakatastrophe und künftige Kriege werden unwahrscheinlicher.

Manchem wird diese Aussicht unrealistisch erscheinen, anderen wird sie Angst einjagen, aber sie kann uns nur von der Angst befreien, verletzt, krank oder getötet zu werden. Also: Steigen Sie ein! Springen Sie auf! Gehen Sie voran!

Klaus Gietinger ist Drehbuchautor, Regisseur, Sozialwissenschaftler und Publizist. Gerade erschien von ihm im Westend-Verlag das Buch Vollbremsung. Warum das Auto keine Zukunft hat und wir trotzdem weiterkommen