Demonstrierende verklagen die Freie und Hansestadt Hamburg wegen Einschränkungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit im Zuge der Proteste gegen das G20-Treffen im Juli 2017. Hamburger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wollen durch das Verwaltungsgericht Hamburg anhand von Einzelfällen exemplarisch feststellen lassen, dass Versammlungsverbote und Polizeieinsätze gegen Demonstrierende rechtswidrig waren.

Der G20-Gipfel war kein »Festival der Demokratie«, wie Innensenator Andy Grote im Vorwege behauptete. Stattdessen wurde der Ausnahmezustand zelebriert, in dem die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger außer Kraft gesetzt wurden.

Alles begann mit der Auseinandersetzung um die geplanten Protestcamps, in denen mehrere Tausend Menschen übernachten sollten, um gegen das G20-Treffen zu protestieren. Mehrtägige Veranstaltungen mit mehrtägigem Protestgeschehen benötigen Beherbergung der Demonstrierenden. Die geplanten Protestcamps waren selbst Teil des geplanten friedlichen Protestes. Schon früh stellte der Hamburger Senat klar, dass er solche Camps nicht zulassen würde. Dieses Verbot wurde von der Versammlungsbehörde und der Polizei mit allen Mitteln durchgesetzt, begleitet von einer Strategie der Diffamierung und Kriminalisierung friedlicher Versammlungen. Dabei wurde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vollständig missachtet.

Die vier folgenden Fälle halten die Demonstrant*innen und Anwält*innen für exemplarisch:

Camp Entenwerder

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hatte explizit die Übernachtung beim G20-Protestcamp Entenwerder erlaubt. Am 5. Juli teilte das Gericht mit, dass zu den bisher genehmigten Veranstaltungszelten bis zu 300 Schlafzelte für jeweils zwei bis drei Menschen aufgestellt werden dürfen. Trotzdem schritt die Polizei gegen das „Antikapitalistische Protestcamp“ ein und verhinderte es so. Der Anwalt Martin Klingner spricht von einem „Verstoß gegen die Gewaltenteilung“ und einem „Putsch der Exe-kutive gegen die Judikative“. Ein Ziel der Klage ist, dass die polizeilichen Einsätze rechtswidrig erklärt werden.

Camp Altona

Das Camp in Altona habe ebenso durch Schikanen der Polizei nicht stattfinden können wie geplant. Laut der Anwältin Ulrike Donat habe hier die Sicherheitsbehörde die Herrschaft über verfassungsrechtlich garantierte Grundfreiheiten übernommen. Schon im Vorfeld habe die Behörde das Camp verhindern wollen. Einer der Anmelder des Camps schildert am Donnerstag bei der Pressekonferenz im Gängeviertel seine Erlebnisse vor Ort im Juli. Als Mitglied eines Vereins, der sich bundesweit an der Organisation der Proteste gegen den Gipfel beteiligt, habe er viel Erfahrung. So etwas wie in Hamburg habe er noch nie erlebt: „Wir fühlten uns von der Behörde verarscht.“ Die Kläger*innen sind der Ansicht, Camps müssten geschaffen werden, um den Portest zu ermöglichen.

Polizeieinsatz 7.7.2017

Am Freitagvormittag des Gipfels nahmen Demonstrierende an einer Blockade teil, um die Protokollstrecke von US-Präsident Donald Trump zu blockieren. Der Zug wurde von der Polizei getrennt und die Demonstrierenden angegriffen, ohne Vorwarnung. Ein Video zeigt, wie Polizeibeamte mit Schlagstöcken hinter Demonstrierenden in Sommerkleidung herrennen. Ein weiteres Video zeigt die blutende Platzwunde am Kopf einer Attac-Aktivistin aus Köln, die auch als Klägerin auftritt.Ihr Anwalt Dieter Magsam spricht im diesem Fall von „Anwendung nackter Gewalt gegen friedliche Menschen“ seitens der Polizei und will, dass die Stadt Hamburg die Verfassungswidrigkeit des Einsatzes anerkennt.

Versammlungsverbote 7.7.2017

Beim vierten Fall geht es um drei Veranstaltungen, die die Nichtregierungsorganisation Attac in der großen Demonstrationsverbotszone angemeldet hat. Jeweils für 80, 50 und 50 Teilnehmer*innen. Sie fielen aber alle drei unter das allgemein ausgesprochene Versammlungsverbot und durften nicht innerhalb der sogenannten „Blauen Zone“ stattfinden. Für die Anwältin Waltraut Verleih aus Frankfurt gibt es hier mehrere Verstöße gegen Grundrechte wie Versammlungs-, Meinungs-, Kunst- und Handlungsfreiheit. Ziel der Klage ist auch, die polizeiliche Gefahrenprognose zu prüfen.

Das repressive Vorgehen gegen die Camps fand seine Fortführung im polizeilichen Vorgehen gegen eine Vielzahl von Versammlungen, die sich gegen das G20-Treffen richteten. Beispielhaft war der Polizeieinsatz am 7. Juli 2017 an der Straßenkreuzung Sechslingspforte/ Ackermann-/ Ekhofstraße. Gegen friedliche Versammlungsteilnehmende wurde Pfefferspray eingesetzt, sie wurden geschlagen und getreten sowie erheblich verletzt.

Gemeinsame Pressekonferenz von RAV e.V., Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. sowie Attac Deutschland e.V. am Donnerstag, 11. Januar 2018