Realitycheck zu G20-Polizeigewalt (taz 19.07.2017)

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz leugnet Fälle von Polizeigewalt beim G20-Gipfel. Die taz und Betroffene können Anderes bezeugen.

Scholz, Polizei und Gewalt

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat am vergangenen Freitag dem Sender NDR 90,3 im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel gesagt: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise.“

Hamburgs Senatssprecher Jörg Schmoll relativierte am Montag im Hamburger Abendblatt Scholz’Äußerungen. „Bei 20.000 Polizisten im Einsatz kann natürlich nie völlig ausgeschlossen werden, dass sich im Nachhinein herausstellt, dass sich einzelne Beamte nicht korrekt verhalten haben.“

Am Dienstag legte Olaf Scholz dann aber nach. Er sei empört über den Begriff „Polizeigewalt“, sagte Scholz Radio Hamburg. Die Gewalt und die Zerstörung sei klar von den Vermummten ausgegangen. „Wer das Wort Polizeigewalt in den Mund nimmt, (...) der diskreditiert die Polizei als Ganzes.“ Das Wort „Polizeigewalt“ nannte er einen „politischen Kampfbegriff“.

Beschwerden gebe es natürlich nach jedem größerem Polizeieinsatz, sagte Scholz. Das sei auch dieses Mal so und dem werde auch nachgegangen.

44 Strafanzeigen gegen Polizisten waren bis Ende vergangener Woche bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. In 35 Fällen wurden die Ermittlungen aufgenommen. Von den 35 Fällen basieren 28 auf Strafanzeigen von Dritten, die restlichen wurden durch das Dezernat Interne Ermittlungen eingeleitet, also die polizeiliche Stelle, die für Ermittlungen gegen Polizisten zuständig ist.

Die Zahl der Polizisten, die während des Großeinsatzes verletzt wurden, gab die Polizei mit 476 an. Recherchen des Medienportals „Buzzfeed“ ergaben jedoch, dass das übertrieben ist. Über die Hälfte hätten sich bereits vor der „heißen Phase“ krankgemeldet. So blieben 231, die während der Protesttage verletzt wurden. Allerdings zählt die Polizei zu Verletzungen in ihren eigenen Reihen auch Kreislaufbeschwerden durch Dehydration und Verletzungen durch eigenes Pfefferspray.

21 Beamte seien so schwer verletzt worden, dass sie am nächsten Tag nicht wieder voll einsatzfähig gewesen seien.

Wie viele Demonstranten insgesamt verletzt wurden, ist bis heute unklar. Viele wurden vor Ort von Demo-SanitäterInnen behandelt. Nach Angaben der Hamburger Krankenhäuser wurden 189 Verletzte mit „demonstrationstypischen Verletzungen“ stationär behandelt. Die Gesamtzahl der Verletzten dürfte aber deutlich darüber liegen. Unter „demonstrationstypischen Verletzungen“ verstehen die Krankehäuser Knochenbrüche, Prellungen, Platzwunden oder Schnitte. Ein Sprecher des Asklepios-Klinik-Konzerns sagte, an Knochenbrüchen sei „alles dabei gewesen, was man sich so brechen kann – Knie, Schulter, Beckenring, Rippen, Handgelenke“.

Auch bei der Demo „Grenzenlose Solidarität“ ging Gewalt nur von vermummten Chaoten aus Foto: dpa

Die taz war vor, während und nach dem G20-Treffen mit ReporterInnen auf Hamburgs Straßen unterwegs. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat nun gesagt, beim G20-Gipfel „Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise“. Wir und Betroffene können anderes bezeugen.

6. Juli, Hafenstraße/Pinnasberg, Demo „Welcome to hell“, Donnerstag, ca. 20.30 Uhr.

Es ist vielleicht eine halbe Stunde her, dass eine Berliner BFE-Einheit in die Spitze der stehenden „Welcome to Hell“-Demonstration reingeknüppelt hat – genau an der engsten Stelle der Demoroute zwischen der Sporthalle unter dem Park Fiction auf der einen und der Kaimauer der St. Pauli Hafenstraße auf der anderen Seite.

In Panik sind viele Demons­tranten die Kaimauer hochgeklettert und vom Geländer in die dicht gedrängte Menge gesprungen. Einige sprangen auf der anderen Seite weiter, vier Meter in die Tiefe. Der Rest versucht, landseitig vor den immer neuen Pfefferspraysalven wegzukommen. Einige Menschen suchen in einer Tiefgarage Schutz. Dann beginnt das Katz-und-Maus-Spiel: Ein paar Schritte vor – Knüppel – Pfefferspray – ein paar Schritte zurück.

Bis die Demons­tranten über eine Treppe auf den Pinnasberg gelangen können. Dann werfen sie von oben Flaschen. Ein paar Leute laufen die Treppe wieder hinunter – und wieder hoch, als die Polizei vorrückt. Ein Polizist tritt einem Mann von hinten in die Beine. Er stürzt auf der Treppe. Der Polizist tritt immer wieder auf den liegenden Mann ein. Die anderen rennen einfach über ihn drüber. Irgendwie schafft der Mann es, sich aufzurappeln, rennt die Treppe hoch und einfach nur weg, auf eine Reihe gut kniehoher Findlinge zu. Ein Polizist erwischt ihn noch und schubst ihn mit Schwung auf einen der Steine. Jan Kahlcke

Hein-Köllisch-Platz, ca. 20.30 Uhr

Über den Platz tragen Demo-Sanitäter und Demonstranten eine verletze Person liegend in das Stadtteilzentrum Kölibri. Mit Tüchern wird sie vor Blicken geschützt. Nachfragen ergaben, dass sie von Polizisten stark verletzt wurde. Wenig später wird erneut eine verletzte Person liegend in das Stadtteilzentrum gebracht. Am Abend kommt ein Rettungswagen, um eine Person ins Krankenhaus zu bringen. Andreas Speit

Holstenstraße/ Reeperbahn, ca. 22.15 Uhr

Nachdem die „Welcome to hell“-Demo am Donnerstagabend aufgelöst wurde, stehen wir mit einer Gruppe von fünf Männern und Frauen, bunt gekleidet, im Alter um die 50 Jahre, an der Holstenstraße Ecke Reeperbahn. Wir beobachten, wie sich eine neue Demo formiert und folgen ihr in der Holstenstraße auf der rechten Straßenseite. Als ein großer Trupp weiß-behelmter Polizisten von hinten kommt, bleiben wir stehen und lassen sie an uns vorbeiziehen. Plötzlich tritt einer der Polizisten aus der Reihe, nimmt mehrere Flaschen vom Boden auf und schleudert sie uns aus vier, fünf Meter Entfernung zwischen die Füße – völlig ohne Grund. Wir müssen wegspringen und sind aufgebracht. Auch die Kollegen des Beamten scheinen von seinem Verhalten irritiert. Als ein junger Mann auf ihn zugeht und fragt, was das solle, schlägt ihm der Polizist direkt mit der Faust ins Gesicht – so stark, dass der junge Mann zu Boden geht. Diese Szene wird auch gefilmt. Miriam Hensel

Ein Hamburger Rechtsanwalt, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, war auch in der Gruppe unterwegs und bestätigt die beschriebene Szene. Jean-Philipp Baeck

Max-Brauer-Alle, 23.30 Uhr

An der Sternbrücke war es zu einem Wasserwerfereinsatz gegen die Demo gekommen, Menschen wurden überrannt. Eine NDR-Nachrichtenredakteurin wird nun mehrfach weggeschubst, obwohl sie deutlich ihre offizielle G20-Presseakkreditierung zeigt. Wenig später hält der Rest der Demonstranten auf der Max-Brauer-Allee Ecke Schulterblatt eine Kundgebung ab. Immer wieder stürmten nun behelmte und gepanzerte Trupps von Polizisten in die Menge, schlagen und rammen Leute um. Auf einige wird weiter eingeschlagen, als sie schon am Boden liegen. Gerade als die Demo vom Lautsprecherwagen aus aufgelöst werden soll, attackiert die Polizei die Menge erneut mit Wasserwerfern. Die Polizei sprüht Pfefferspray in die Menge. Jean-Philipp Baeck

Ballindamm, ca. 11 Uhr

Nachdem am Freitagmorgen, dem Tag der Blockaden, die meisten Protestzüge frühzeitig von der Polizei gekesselt worden waren, treffen sich einige noch nicht aus dem Verkehr gezogene Aktivisten gegen 11 Uhr am Jungfernstieg an der Binnenalster. Von dort setzen sie sich in Richtung der einzigen bestehenden Blockade vor Donald Trumps Gästehaus in Bewegung. Aber eine Hundertschaft kommt von vorne angefahren und versperrt ihnen den Weg: Polizisten springen aus den Autos, ohne Vorankündigung schlagen sie mit ihren Schlagstöcken mit voller Wuchte auf jeden ein, den sie erwischen können. Auch Pfefferspray kommt hier zum Einsatz. Die Demonstranten werden in eine Seitengasse getrieben, eine junge Frau bleibt mit einer schweren, blutenden Kopfverletzung zurück. Für ein, zwei Minuten blockieren die Polizisten noch die Straße, dann springen sie in ihre Autos und fahren davon. Die Dynamik der Demonstranten ist gebrochen. Erik Peter

.........vollständig hier: http://www.taz.de
 
... und auch dieser Bericht im Hauptteil der taz vom gleichen Tag (19.07.2017) ist interessant: http://www.taz.de

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 Weitere Berichte aus der internationalen Presse, dem Telegraph (UK) und der NYT mit Filmen und Bildern hier (Danke, Gerd!):

Bericht: http://www.telegraph.co.uk/news/2017

Bildergalerie:  http://www.telegraph.co.uk/news

https://www.nytimes.com/2017

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nd, 20.07.2017  Politik

Hunderte gegen »Gipfel der Hetze« auf der Straße

Nach Hamburger G20-Randale: Demonstration gegen autoritäre Formierung der Gesellschaft, Polizeigewalt und Repression

Hunderte gegen »Gipfel der Hetze« auf der Straße

Berlin. Erstmals nach dem G20-Gipfel hat in Hamburg ein Bündnis linker Gruppen am Mittwoch in der Hansestadt demonstriert. Hunderte Menschen zogen friedlich durch die Innenstadt zum Schulterblatt im Schanzenviertel, wo es beim G20-Gipfel Anfang Juli zu Krawallen gekommen war. Die Abschlusskundgebung fand vor dem linken Kulturzentrum Rote Flora statt, das nach dem Willen einiger CDU- und FDP-Politiker wegen seiner Rolle bei den G20-Protesten geschlossen werden sollte.

Die Polizei sprach von etwa 600 Teilnehmern, die Veranstalter von knapp 1.000. Die Demonstranten skandieren dazu: »Bürgermeister kommen und gehen - Rote Flora bleibt bestehen.« Auf Bannern hieß es: »Gipfel der Hetze - gegen die autoritäre Formierung der Gesellschaft« oder »Freiheit stirbt mit Sicherheit«.

Ein Bündnis hatte zu der Aktion aufgerufen. »Der G20 ist vorbei und was bei uns bleibt, ist der Schrecken über die öffentlichen Reaktionen auf Proteste, Ausschreitungen im Schanzenviertel und Gewalt seitens der Polizei. Im Nachklapp offenbart sich eine autoritäre Formierung der Gesellschaft, die sich im Internet in Gewaltfantasien gegenüber vermeintlichen ›Linksextremisten‹, auf der Regierungsbank als verbale Aushebelung der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung und auf der Straße als spontane Massenmobilisierung zum Wiederaufbau der ›kriegszerstörten‹ Schanze zeigt«, hieß es in einem Aufruf.

»Die inzwischen gut dokumentierte, massive Polizeigewalt am Rande der Welcome to Hell-Demo und anderer Einsätze rund um den G20-Gipfel wird zugleich entweder verleugnet oder – berauscht von Bestrafungsfantasien – ausdrücklich begrüßt. Kritische Stimmen von Journalisten und Anwohnern, vermögen trotz großer Verbreitung einzelner Statements in den sozialen Medien kaum den Diskurs zu verschieben«, so die Demonstrierenden. Ein Bündnissprecher hatte vor der Demonstration erklärt: »Wir erleben gerade in Deutschland eine Hetzkampagne gegen alles, was links ist.« Agenturen/nd


 
nd, 20.07.2017 von Nicolai Hagedorn

G20: Woher kam das Reizgas?

Verletzte hessische Polizisten sorgten für Schlagzeilen - doch wohl nicht alle behördlichen Meldungen sind haltbar

»Eine flächendeckende Attacke mit Tränengas und/oder Pfefferspray auf 130 Polizisten ist mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit ein Schauermärchen«, erklärt Alexis Passadakis von Attac unter Verweis auf ähnlich gelagerte Fälle in der Vergangenheit. »Bereits bei vergangenen Gipfeln haben die Behörden irreführende oder bewusst falsche Zahlen von Verletzten lanciert. Genauso Berichte über Angriffe, die sich im Nachhinein als falsch erwiesen.« Passadakis erzählt etwa von einer angeblichen Säureattacke auf Polizisten - die Säure habe sich letztlich als »Seifenblasenlauge der Clowns Army« entpuppt. Auch sei dies nicht das erste Mal, dass sich Polizisten wohl selbst mit Reizgas eingedeckt haben.

 

Der aktuelle Fall ist dagegen aus zweifacher Hinsicht ernst zu nehmen. Zum einen stammt die Information diesmal direkt aus einem Landesinnenministerium, zum anderen wäre ein Reizgas- oder Pfeffersprayangriff mit 130 verletzten Polizisten wohl einmalig in der deutschen Demonstrationsgeschichte. Allerdings mehren sich die Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung. Auf der Bilanz-Pressekonferenz mit Polizeipräsident Ralf Meyer und Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde etwa wurde der vermeintliche Großangriff, der immerhin für fast dreißig Prozent aller bei G20 verletzten Polizisten verantwortlich sein soll, mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen erklären zwei Augenzeugen nun gegenüber »nd« übereinstimmend, es sei am Samstag Abend im Schanzenviertel zu einer plötzlichen, anlasslosen und brutalen Räumung des Platzes vor der Roten Flora durch die Polizei gekommen. In der folgenden Stunde liefen demnach vermummte Einheiten der Polizei auf und ab und machten gelegentlich Jagd auf Umstehende. Ein Demonstrant fasste die Übergriffe der Polizei gegenüber »graswurzel.tv« zusammen: »Keine Provokation, die haben einfach Bock.«

Was dann folgte, war ein Polizeieinsatz, der bis in die frühen Morgenstunden dauerte und bei dem immer wieder Wasserwerfer und Räumpanzer durch das sich zusehends leerende Schulterblatt fuhren. Während dieses über mehrere Stunden andauernden »Dauerkreisverkehrs« kam es laut den Zeugenberichten auch zu Abschüssen von Tränengaskartuschen von den Polizeieinheiten in Richtung der Demonstranten: »An der Kreuzung vor der Flora ist beispielsweise eine Gaskartusche explodiert, die von der unteren Straße aufwärts kam, sprich aus Richtung der Behelmten und ihrer Einsatzfahrzeuge.« Auf die Frage, ob es möglich sei, dass von den zu diesem Zeitpunkt noch anwesenden Demonstranten ein groß angelegter Gegenangriff mit Reizgas stattgefunden habe, antwortet ein Augenzeuge, der wie alle anderen seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte: »Nur ein Bruchteil der Leute war demonstrationserfahren. Es gab quasi keine Bezugsgruppen und nichts. Stattdessen: Besoffene, die sich T-Shirts in diversen Farben umgeschnallt hatten, beziehungsweise in ihren Kapuzen und Kleidungskragen Atemschutz suchten. Keiner der vermeintlichen «Demonstranten» hat sich nur ansatzweise getraut, nah genug an die Polizisten heranzutreten, um Pfefferspray überhaupt einsetzen zu können.«

Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Polizeiakademie Hamburg, bemerkte schließlich gegenüber buzzfeed.com: »Mit höchster Wahrscheinlichkeit sind das Beamte, wo die Autonomen die Geschosse mit dem Reizstoff einfach wieder zurück geworfen haben.« Jedoch wird nicht einmal diese Version von den Zeugen bestätigt.

Die Pressestelle des hessischen Innenministeriums blieb trotz mehrfacher Nachfrage eine Klarstellung schuldig. Zu möglichen politischen Konsequenzen von falschen Behauptungen seitens der Innenbehörde stellt Alexis Passadakis indes fest: »Falls der hessische Innenminister bewusst Falschaussagen zu dem Verlauf der G20-Proteste lanciert, bliebe als Konsequenz nur ein Rücktritt.«

Janine Wissler, Linksfraktionschefin im hessischen Landtag, weist darüberhinaus darauf hin, dass der Minister so etwas nach Blockupy »schon so ähnlich behauptet« habe. Im übrigen sei es auch nicht plausibel, »woher solche Mengen Pfefferspray kommen sollten«.




nd, 20.07.2017 von Fabian Hillebrand

Falken klagen gegen Polizeigewahrsam beim G20-Gipfel

Mitglieder der Jugendorganisation waren auf dem Weg zur Großdemonstration in Hamburg gestoppt worden / Innensenator Andy Grote räumt Fehler ein

Mitglieder der Organisation »Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken« wollen wegen von ihnen berichtete Misshandlung durch die Polizei klagen. Das teilte der Jugendverband am Mittwoch mit. Hintergrund ist die Durchsuchung eines Busses, der Mitglieder der Falken und andere Jugendverbände zu der am 8. Juli in Hamburg stattfindenden Großdemonstration »Solidarität statt G20« bringen sollte.

Gegen 7 Uhr morgens soll der Bus nach Aussage der Falken von mehreren Polizeifahrzeugen auf eine Raststätte eskortiert worden sein. Der Bus war mit 44 jungen Menschen auf dem Weg von Nordrhein-Westfalen nach Hamburg. Von der Raststätte wurden die Jugendlichen in die Gefangenensammelstelle in Hamburg-Harburg gebracht. Laut Darstellung der Falken wurden die Betroffenen dort vier Stunden lang festgehalten. Einige der Jugendlichen mussten sich laut Falken nackt ausziehen und wurden dann intensiv abgetastet. Der Hinweis, dass sich auch Minderjährige unter den Mitfahrenden befänden, man ein Jugendverband sei und zu einer angemeldeten Demonstration wolle, wurde von der Polizei ignoriert. Auch Anrufe bei Anwälten sollen den Betroffenen nicht gewährt worden sein.

»Nach reiflicher Prüfung und Beratung haben Anna Cannavo und ich uns heute entschieden gegen die rechtswidrige Freiheitsentziehung durch die Hamburger Polizei zu klagen«, dass teilte Paul M. Erzkamp, Vorsitzender der SJD – Die Falken im Landesverband NRW, am Mittwoch mit. Zur Begründung sagte Erzkamp: »Die gesamte Maßnahme griff massiv in die Freiheitsrechte der teilweise minderjährigen Teilnehmer*Innen ein. Wir wollen eine Feststellung durch das Verwaltungsgericht, dass dies rechtswidrig war. Es muss klar gestellt werden, dass junge Menschen keine Angst vor polizeilicher Repression haben brauchen, wenn sie zu einer angemeldeten Demonstration fahren.«

Das Verwaltungsgericht muss jetzt juristisch feststellen, ob ein Fehlverhalten der Polizei vorliegt. Die beiden Klagenden gegen davon aus, dass weitere Betroffene aus dem Bus Anzeige erstatten werden.

Am Mittwochabend äußerte sich auch Innensenator Andy Grote in einer Sondersitzung des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft zu dem G20-Wochenende. Auf Nachfrage von SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sagte Grote, der Umgang mit den betroffenen Jugendorganisationen sei auf einen »Fehler bei der Übertragung eines Kennzeichens« zurückzuführen. Eigentlich hätte ein anderer Bus kontrolliert werden sollen. Grote meinte, die polizeiliche Maßnahme sei »ein Vorgang, für den man sich nur entschuldigen kann, da ist ein bedauerlicher Fehler passiert«. Es ist das erste Mal, dass Innensenator Andy Grote ein Fehlverhalten der Sicherheitskräfte während des G20-Gipfels einräumt.

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