Weltweit gehen heute Schüler auf die Straße, um gegen die Verursacher der Erderwärmung zu protestieren

Wolfgang Pomrehn

Ist dies der Beginn einer neuen, internationalen Jugendbewegung? In mindestens 105 Ländern, von Argentinien bis Zypern, von China bis Bolivien, wird es am heutigen Freitag Schulstreiks und Demonstrationen für Klimaschutz geben. Allein in Deutschland sind in mehr als 210 Städten Aktionen angemeldet, um endlich wirksame Maßnahmen gegen die große Klimakrise einzufordern. Inzwischen ist es höchste Zeit. Seit vielen Jahrzehnten sind die Fakten zur Erderwärmung bekannt, doch geschehen ist bisher herzlich wenig. In den USA wurde die Regierung schon 1965 offiziell von namhaften Wissenschaftsorganisationen gewarnt, in Westdeutschland spätestens 1987. In Deutschland gingen die Emissionen seit 1990 durchschnittlich nur um weniger als ein Prozent pro Jahr zurück. Seit rund zehn Jahren herrscht praktisch Stillstand. Der deutsche Treibhausgasausstoß verharrt auf einem viel zu hohen Niveau. Die Emissionen des Straßenverkehrs waren in den letzten Jahren sogar wieder höher als 1990.

Inzwischen vergeht kaum eine Woche ohne neue Schreckensmeldungen. Auf Grönland schmilzt das Eis noch schneller als erwartet, auftauende Permafrostböden setzen zusätzliche Treibhausgase frei. Russland, die USA und Australien werden von verheerenden Wald- und Buschbränden heimgesucht, katastrophale Wirbelstürme verwüsten Länder wie Haiti, die die Schäden kaum aus eigener Kraft beheben können. Dürren treiben wie Ende des letzten Jahrzehnts in Syrien die Menschen vom Land in die Städte, wo die sozialen Spannungen weiter zunehmen. Inzwischen ist die globale Temperatur bereits um rund ein Grad über das vorindustrielle Niveau gestiegen. Die Jahre 2015 bis 2018 waren die vier wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Geht diese Entwicklung ungebremst weiter, wird die 1,5-Grad-Schwelle voraussichtlich bereits in den 2030er Jahren überschritten. Danach ist unter anderem mit dem Absterben nahezu aller tropischen Korallenriffe zu rechnen.

Aufgrund der langen Untätigkeit muss es jetzt um so schneller gehen. Spätestens 2030 muss das letzte Kohlekraftwerk stillgelegt werden, fordern die Schüler. Zehntausende Wissenschaftler stellen sich hinter sie. Aus dem deutschsprachigen Raum kamen innerhalb nur einer Woche mehr als 19.000 Unterschriften aktiver Forscher zusammen, die eine radikale Wende fordern. In den 2040er Jahren müssten weltweit die Treibhausgasemissionen auf Null heruntergefahren sein, fordern sie. Im Interesse der Klimagerechtigkeit müsse dieses Ziel in den reichen Ländern früher, spätestens bis 2040 erreicht sein. In Belgien, den Niederlanden, den USA, Frankreich, Australien und anderswo gibt es ähnliche Initiativen von Wissenschaftlern, die den Schülern den Rücken stärken. Hierzulande rufen die Schüler derweil dazu auf, die Wahl des Europaparlaments zur Klimawahl zu machen. Wer ihre Anliegen unterstütze, solle keine Partei wählen, die keinen ausreichenden Plan für Klimaschutz habe, so einer der Schülersprecher am Dienstag vor der Presse in Berlin.

Derweil reichten am Donnerstag in Frankreich zwei Millionen Bürger eine Klage gegen den Staat wegen unzureichender Klimaschutzmaßnahmen ein. In Deutschland ist ein ähnliches Begehren seit einigen Monaten beim Bundesverfassungsgericht anhängig. In den Niederlanden war eine entsprechende Klage bereits erfolgreich. Die dortige Regierung muss daher die Stillegung eines Kohlekraftwerks von 2024 auf dieses Jahr vorziehen. Das letzte dieser Art wird im Nachbarland bereits 2025 vom Netz gehen.

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