***  Hintergründiges zur Geopolitik und zur aktuellen Einschätzung in der Ukraiene bietet die Rosa Luxemburg Stiftung:  HIER

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Die weißen Tauben sind müde

Datum: 28. Februar 2022
Jens Berger / nachdenkseiten.de

 

Während in den Straßen Berlins mehr als 100.000 Menschen für den Frieden demonstrierten, verkündete die Bundesregierung zeitgleich nur wenige Meter entfernt das größte Aufrüstungsprogramm, das Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg jemals gesehen hat. Besonders traurig – vielen Demonstranten dürfte dieser Widerspruch noch nicht mal einmal bewusst sein. Man nutzt den Schock der russischen Invasion in die Ukraine, um Fakten zu schaffen; irreversibel, im Grundgesetz verankert. 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ plus mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen nun in die Rüstung gehen. Das sind mindestens 171 Milliarden Euro – mehr als 4.000 Euro für jeden Haushalt in Deutschland; für Panzer, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge, die Atombomben transportieren sollen. Und für Schulen, Universitäten und Krankenhäuser hat man kein Geld. Viele Demonstranten unter dem Banner der weißen Taube haben für die Falken applaudiert – vielleicht ja, ohne dies zu wissen. Von Jens Berger

Naomi Klein hat in ihrem großen Buch „Die Schock-Strategie“ sehr gut beschrieben, wie man Katastrophen und fürchterliche Ereignisse nutzen kann, um Fakten zu schaffen, die in einer echten, offenen gesellschaftlichen Diskussion so wohl nie mehrheitsfähig wären. Die Invasion der Ukraine ist zweifelsohne ein solcher Schock. Während Millionen Menschen den eklatanten Völkerrechtsbruch kritisieren und die Medien eine nur noch hysterisch zu nennende Kriegsangst auch in Deutschland schüren, kochen die Emotionen hoch. Eine rationale Debatte über eine künftige Friedensordnung, über die Überwindung des Blockdenkens, Entspannungspolitik und eine Friedenspolitik, die diesen Namen verdient, ist in diesen Tagen schwer möglich. Das wissen auch die Falken und sie wissen auch, dass sich dieses Gelegenheitsfenster schon bald wieder schließen könnte. Also besser Nägel mit Köpfen machen und die aufgeheizte Stimmung nutzen, um Fakten zu schaffen. Dass es ausgerechnet eine Koalition mit Regierungsbeteiligung von SPD und Grünen ist, die hier – wieder mal – das exekutiert, was die Falken sich wünschen, ist eine weitere groteske Fußnote der Geschichte.

 

„Es fehlt uns an Geld“ – dieser Satz ist spätestens seit gestern als eine der größten Lügen politischer Kommunikation enttarnt. Uns fehlte angeblich das Geld, wenn es um Bildung und die Verbesserung der Lebenschancen junger Menschen ging. Uns fehlte angeblich das Geld, wenn es um das marode Gesundheitssystem ging. Auch Corona hat daran nichts geändert, kein Cent floss seit Beginn der Pandemie in die personelle Ausstattung unserer Krankenhäuser. Uns fehlte angeblich das Geld für die Ärmsten unserer Gesellschaft, die mit Hungerlöhnen, Hartz-IV-Regelsätzen unter dem Existenzminimum und kargen Minirenten ihr Dasein fristen müssen. Uns fehlte angeblich das Geld für Infrastruktur, für die Energiewende, für Kultur und und und. Für alles fehlte angeblich das Geld. Nur für eins nicht. Für die Rüstung. Schwarze Null hin, Schuldenbremse her. Da wird selbst die FDP plötzlich kreativ und richtet ein „Sondervermögen“ ein, was auch nur ein anderer Begriff für Schulden ist. Zurückzahlen werden dieses Geld wir alle.

 

Und es geht hier beileibe nicht um Peanuts. 100 Milliarden Euro sollen nun sofort in die Rüstung gehen – das sind rund 2.500 Euro pro Haushalt. Zusätzlich will man nun Jahr für Jahr mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes dem Verteidigungsressort spendieren. Das sind bei einem BIP von 3,6 Billionen Euro mindestens 72 Milliarden Euro pro Jahr! Das ist deutlich mehr, als Russland für sein Militär ausgibt. Rechnet man das „Sondervermögen“ hinzu, wird Deutschland in diesem Jahr mehr als dreimal so viel Geld für Rüstung und Militär ausgeben wie Russland. Und Deutschland ist nur eines der dreißig NATO-Mitglieder. Alleine die USA geben schon heute dreizehnmal so viel Geld für Militär und Rüstung aus wie Russland.

 

Glaubt irgendwer ernsthaft, durch dieses absurde Hochrüsten würde die Welt auch nur ein Jota sicherer? Glaubt irgendwer ernsthaft, dass die Milliarden und Abermilliarden, die nun der deutsche Steuerzahler in Rüstung und Militär „investiert“, das Leid in der Ukraine auch nur um ein Jota mildern? Während in den Villen der Großaktionäre der Rüstungsindustrie gestern die Sektkorken knallten, dürfte sich der Jubel in den Mietwohnungen derjenigen, die den Aufrüstungsexzess bezahlen müssen, in Grenzen halten. Denn jeder Euro, der nun in die Rüstung geht, wird an anderer Stelle fehlen. Wer sich Panzer und Kampfflugzeuge für mehrere Milliarden kauft, kann halt keine zusätzlichen Lehrer, Krankenschwestern oder Sozialarbeiter einstellen.

 

Und wofür soll das ganze Geld nun ausgegeben werden? Laut Kanzler Scholz für „unsere Verteidigung“. Gerade so, als wäre die Bundeswehr heute noch wie vor 1990 als Landesverteidigungsarmee konzipiert. Deutschland beteiligt sich weltweit an Kriegen und mischt in Konflikten mit, die mit einer Landesverteidigung gar nichts zu tun haben. Zynisch könnte man sagen, wenn die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt wird, wo wird dann die russische Sicherheit verteidigt? Deutsche Soldaten führten bis vor kurzem Krieg in Afghanistan, sie mischten im Mali, in Syrien, in Libyen mit und neuerdings ist der Indopazifik im Fokus „deutscher Sicherheitsinteressen“. Und es wäre mehr als naiv, anzunehmen, dass die Bundeswehr mit der nun kommenden massiven Budgetsteigerung zu einer Verteidigungsarmee im Sinne des Grundgesetzes mutieren sollte. Nein, die Falken können sich nun noch besser an den Kriegen und dem Säbelrasseln des US-Imperiums beteiligen und mit dem Geld, das wir nun zusätzlich für Rüstungsgüter ausgeben, werden schon bald in irgendeinem armen Land der Welt Menschen getötet. Für die geht dann in Berlin sicherlich niemand auf die Straße.

 

Die weißen Tauben sind müde, die Falken sind stark wie nie vorher. Das ist die Realität. Und man kann nur hoffen, dass dies der Öffentlichkeit auch klar wird, sobald der Kanonendonner in der Ukraine verhallt ist und sich die Emotionen abgekühlt haben.

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Russland :

Putin-Kennerin Gabriele Krone-Schmalz: „Ich habe mich geirrt“

Die langjährige ARD-Korrespondentin glaubt, dass der Angriffskrieg eine einsame Entscheidung Putins gewesen sei, von dem auch sein Umfeld überrascht wurde.

Gabriele Krone-Schmalz, 27.2.2022 -



Ich war fest davon überzeugt, dass der Aufbau dieser gigantischen russischen Drohkulisse in den letzten Wochen und Monaten, so riskant und überzogen er auch sein mochte, einem einzigen Zweck diente: nämlich ernstzunehmende Verhandlungen mit dem politischen Westen zu erzwingen, um Russlands Sicherheitsinteressen endlich zum Thema zu machen. Ich habe mich geirrt. Nicht nur mit Blick darauf, was jetzt an Leid und Verwüstung folgt, bin ich fassungslos, sondern auch angesichts dieses Schlags ins Gesicht all derjenigen, die sich – teilweise gegen große politische Widerstände im eigenen Lager – auf den Weg nach Moskau gemacht haben, um diplomatische Lösungen für die tatsächlich vorhandenen Probleme zu finden. Es ist nicht so, als hätte ich keine Kriegsgefahr gesehen, aber dieses Risiko habe ich nicht mit einem russischen Angriff verbunden, der für mich ausgeschlossen schien, sondern mit Missverständnissen, technischen oder menschlichen Pannen zwischen Nachbarn, denen jegliches Vertrauen zueinander abhandengekommen ist. Diverse Szenarien waren denkbar auf der Grundlage von Provokationen oder Prozessen, die aus dem Ruder laufen, aber ein kalkulierter und geplanter Überfall auf die Ukraine – das habe ich nicht für möglich gehalten.

Habe ich mit meinen Positionen dazu beigetragen, diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu ermöglichen, wie jetzt manche behaupten? Bin ich für den russischen Einmarsch mitverantwortlich? Es wäre schrecklich, wenn es so wäre. Doch überzeugend finde ich diesen Vorwurf nicht. Er setzt voraus, dass die Idee der Verständigung, der Entspannungspolitik grundverkehrt war, und dass eine Abschreckungspolitik Putin hätte im Zaum halten können. Beide Punkte halte ich nicht für richtig. Denn zum einen haben sich die Entspannungspolitiker in den letzten dreißig Jahren auf internationalem Parkett mit ihrer Politik eher nicht durchsetzen können. Ich möchte die Worte von George Kennan ins Gedächtnis rufen, dem Architekten amerikanischer Eindämmungspolitik. Der für seine scharfen Analysen bekannte Diplomat hat am 2. Mai 1998 – also noch bevor Polen, Tschechien und Ungarn 1999 in die NATO aufgenommen wurden – die NATO-Osterweiterung als tragischen Fehler bezeichnet, da es überhaupt keinen Grund dafür gebe. Niemand bedrohe irgendjemanden. „Natürlich wird es auch darauf zukünftig eine böse Reaktion durch Russland geben“, so Kennan, „und dann werden sie (also die NATO-Erweiterer) sagen: So sind die Russen, wir haben es Euch immer gesagt, aber das ist komplett falsch.“

Und zum anderen scheint mir, dass jeder Versuch, die Ukraine nach 2014 in die NATO mit aufzunehmen, die jetzt erfolgte Intervention nur beschleunigt und nicht verhindert hätte. Ich denke nach wie vor, dass die NATO-Osterweiterung und die Missachtung russischer Sicherheitsinteressen durch den Westen stark dazu beigetragen haben, dass wir uns heute einem Russland gegenübersehen, das uns als Feind betrachtet und sich auch so verhält. Ich teile nicht die These, dass Putin schon immer der gewesen sei, der er jetzt ist. Vielmehr gehe ich davon aus, dass wir diesen Putin mitgeschaffen haben.

Aber letztlich ist es müßig, noch über die Vergangenheit zu streiten. Die Verständigungspolitik, deren Sinnhaftigkeit ich mit meiner Arbeit immer versucht habe zu erklären und journalistisch zu begleiten, liegt in Trümmern. Putin hat die Hand verdorren lassen, die zwar reichlich später, aber dann doch ausgestreckt war.

Nach allem was man hört, waren selbst einige russische Regierungsmitglieder von der Entscheidung ihres Präsidenten überrascht, den Einmarschbefehl zu geben, noch dazu in dieser Situation: unmittelbar vor weiteren geplanten Gipfeltreffen. Das macht die Lage nicht einfacher.

Der russische Einmarsch in die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen. Jetzt kann es nur darum gehen, möglichst sichere Wege zu finden die aus dieser Katastrophe herausführen. „Diplomatische Anstrengungen müssen erneut beginnen.“ Das hat Klaus von Dohnanyi jetzt gefordert, wobei auch ihm die Zumutung klar ist, die darin besteht, mit einem Gegenüber zu verhandeln, das dreist gelogen hat. Aber Zumutung, Gesichtsverlust und ähnliches sind keine akzeptablen politischen Kategorien, wenn es darum geht, einen Krieg zu beenden.

Was entspannungspolitisch alles möglich ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Obwohl die Sowjetunion 1968 die Demokratiebewegung in der Tschechoslowakei, den „Prager Frühling“, mit Panzern niedergewalzt hat, haben sich der damalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt und sein Berater Egon Bahr 1970 auf den Weg nach Moskau gemacht. Das war der Beginn der sogenannten Ostpolitik, die auf lange Sicht für alle Beteiligten nur Vorteile gebracht hat. Humanitär und wirtschaftlich.

An der grundsätzlichen Aufgabe hat sich nichts geändert: Wir brauchen eine umfassende Sicherheitsarchitektur, die den Bewohnern des europäischen Kontinents allen gleichermaßen Sicherheit bietet. Die war Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zum Greifen nah. Es ist erschütternd, sich vor Augen zu führen, welche Chance verspielt worden ist.

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Kai Ehlers:

Mit schrittweiser Erweiterung der Europäischen Union und in ihrem Geleitzug Erweiterung der NATO bis hart vor die Grenzen Russlands. Mit Unterstützung von „bunten Revolutionen“ in den Randgebieten der ehemaligen Sowjetunion seit 2004 bis hin zum Maidan in der Ukraine 2014. 

Angst vor Russland, warum? Ein unangepasster Blick hinter die Kulissen der Ukrainekrise

    • Bleiben wir sachlich, stellen wir die Emotionen zurück. Erinnern wir uns:
      • Von wem stammt der Vorschlag, ein „Haus Europa“ aufzubauen, samt der dazugehörigen Öffnung der Sowjetunion bis hin zur Wiedervereinigung des geteilten Deutschland? Von Michail Gorbatschow, 1989.

      Und hat Gorbatschow nicht die Zusage erhalten, dass die NATO nicht über die deutschen Grenzen nach Osten erweitert würde, wie soeben noch einmal im „Spiegel“ durch Dokumente belegt wurde?

      • Wer hat mit dem Gedanken gespielt und sogar Schritte in diese Richtung gesetzt, die NATO, nachdem sie absprachewidrig doch bereits auf Osterweiterungskurs war, durch einen Beitritt Russlands zur eurasischen Sicherheitsorganisation umzuwandeln? Boris Jelzin.
      • Wer ist 2001 als eine seiner ersten außenpolitischen Amtshandlungen im deutschen Bundestag mit dem Angebot aufgetreten, anstelle der zusammengebrochenen Ordnung des Kalten Krieges eine neue Sicherheitsarchitektur für Europa von Wladiwostok bis Lissabon zu entwickeln und erhielt dafür „standing ovations“ der Abgeordneten? Wladimir Putin.
      • Wer hat das das Angebot einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur auf der Strategietagung der NATO in Lissabon im Jahr 2010 wiederholt? Dimitri Medwjedew.
      • Wer hat vor dem Ausbruch des Maidankonfliktes 2014 dafür geworben, das anstehende Assoziierungsabkommen in dreiseitiger Zusammenarbeit zwischen Ukraine, EU und Russland zu entwickeln? Russland.
      • Wer hat in der UNO immer wieder auf die Einhaltung der diversen internationalen Abkommen gedrungen…

      Und wie wurde darauf geantwortet?

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Das geheiligte Interesse

Wo Gewalt herrscht, soll es um Gute und Böse gehen? Ein Einwand

  • Von Stephan Kaufmann / nd  -  25.02.2022, 16:12 Uhr
  • Der aktuelle Konflikt zwischen Russland und den Nato-Staaten hat seinen Grund in den gegenläufigen Interessen beider Seiten: Russland will den Einfluss des Westens in Form von EU und Nato auf die Ukraine schwächen und seinen eigenen dort festigen. Letzteres will der Westen verhindern. Es geht also um eine Machtfrage, die mittels militärischem und ökonomischem Druck durchgefochten wird. Aber es ist Eigenart solcher Auseinandersetzungen, dass beide Seiten sich bemühen, das eigene Interesse mit höheren Titeln zu versehen - Frieden, Schutz der Menschen, Geschichte -, um den eigenen Zielen den Status der Rechtmäßigkeit zu verleihen. Gleichzeitig wird das Interesse des Gegners delegitimiert.
  • Eine gängige Methode ist die Personalisierung der Gegenseite. So wird statt von »russischer Regierung« von »Putin« gesprochen. In anderen Konflikten hießen die Gegner »Saddam« oder »Milosevic«, und in jüngster Zeit ist immer öfter von »Xi« statt von China zu hören. Das Anliegen der Gegenseite wird damit zu einer Art Privatsache des Staatsführers gemacht, die nicht mehr den Status einer Staatsräson beanspruchen darf. Das Handeln des Gegners wird stattdessen durch die Motive des Führungspersonals erklärt, im aktuellen Fall durch Putins »zaristische Ambitionen«. Nahe liegt stets der Übergang, dem Gegner nicht nur Räson abzusprechen, sondern Rationalität überhaupt: So wurde Saddam zum »Irren von Bagdad« erklärt (»Bild«) und Putin »scheint den Kontakt zur Realität verloren zu haben« (Bloomberg). So wird in wenigen Schritten das gegnerische Interesse zu einem Angriff auf die Menschen gemacht - auch der Russen selbst, die vor ihrem Staatschef in Schutz genommen werden müssen.
  • Ein zweites ideologisches Schlachtfeld ist die Frage, wer den Konflikt begonnen hat. Das gilt als entscheidend, denn wer anfängt, ist der Angreifer, der Aggressor, gegen den Verteidigung legitim sein soll. Daraus erklärt sich auch die Konstruktion der »False Flag Operationen«, die Angriffe des Gegners simulieren, um das eigene Eingreifen als ungewollte, aber notwendige Reaktion darzustellen. Die Nato stationiert Truppen in Osteuropa und begründet dies mit der Bedrohung durch Russland. Moskau wiederum bezeichnet seinen Einmarsch in die Ukraine als »Verteidigung gegen die Aggressionen der ukrainischen Armee«. Der Angreifer als Schuldiger - dem zugrunde liegt die Idee eines unschuldigen Zustands namens »Frieden«, den der Aggressor bricht, was wiederum den Einsatz von »Friedenstruppen« (Putin) erfordert. Der Frieden gilt als heilig, wobei beide Seiten wissen, dass er keine friedliche Angelegenheit ist: Schließlich sind es die Phasen des »Friedens«, aus denen die Gründe für Krieg erwachsen.

     

  • Ein weiterer gängiger Berufungstitel von Kriegsparteien ist das Wohl der Menschen - Russland will in eigener Darstellung in der Ukraine eine »humanitäre Katastrophe« verhindern, die deutsche Außenministerin wirft Putin vor, »mit Menschenleben zu spielen«. Oder es wird Vertragsbruch behauptet, was im aktuellen Fall die Debatte befeuert, ob der Westen in den 90er Jahren eine Nato-Osterweiterung ausgeschlossen oder dies offengelassen hat. In der Sache sind diese Legitimierungen nicht kriegsentscheidend. Nicht das höhere Recht obsiegt, sondern die Gewalt, die Waffen und Geld verleihen. Das wissen auch die politischen Entscheider, die der gegnerischen Seite ihre edlen Motive ohnehin nicht abnehmen. Dennoch führen beide Parteien das Stück »Gut gegen Böse« auf. Denn damit erhalten sie beim Publikum - zuallererst der eigenen Bevölkerung - die Fiktion, Weltpolitik sei kein Machtkampf der Interessen, sondern im Kern eine Veranstaltung zur Förderung des Richtigen gegen das Falsche.

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